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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Hautfetzen.«
    »Nie im Leben! Vielleicht können die Ärzte sie wieder annähen!«
    Errki stand vor ihm und sah ihn an. Nun waren sie wieder in diesem Zimmer. Er wußte nicht, wohin er sonst gehen sollte. Es war still, er hörte nur Morgans keuchenden Atem. Etwas schien sich von der Decke her auf sie herabzusenken. Ein dünner Schleier aus etwas, das er noch nie empfunden hatte. Es war jetzt auch dunkler, deshalb sah das Zimmer wohnlicher aus. Und Morgan war nicht mehr der Chef. Seltsamerweise schien es ihn zu erleichtern, daß er diese Rolle nicht mehr zu spielen brauchte. Es war einfach besser, wenn sie ebenbürtig waren. Jetzt konnten sie sich vielleicht ein wenig entspannen und unter Umständen sogar schlafen. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Errki merkte, daß er Ruhe brauchte. Um Ordnung in seine Gedanken zu bringen.
    »Schalt das Radio ein!« In Morgans Stimme lag das kleine Zittern, das sich einstellt, wenn jemand krank ist und Zuwendung braucht. Schade um die Nase, dachte Errki, die war vorher schon sehr klein, und jetzt ist fast nichts mehr davon übrig.
    »Bald gibt es Nachrichten. Schalt das Radio ein.«
    Errki drückte nacheinander auf alle Knöpfe, dann war endlich etwas zu hören. Er fummelte eine Weile am Lautstärkeregler herum. Dann setzte er sich auf den Boden und schaute zu Morgan hinüber. Der sah mit seinem Schnaps aus wie ein Baby mit der Nuckelflasche. Nach der Musik meldete sich der Nachrichtensprecher zu Wort.
    »In Zusammenhang mit dem Mord an der sechsundsiebzigjährigen Halldis Horn sucht die Polizei den vierundzwanzigjährigen Errki Peter Johrma, der seit der vorletzten Nacht aus der psychiatrischen Klinik Wegweiser verschwunden ist. Der Gesuchte wurde von einem in der Nähe spielenden Jungen gesehen und soll die Tote gekannt haben. Die Polizei weist darauf hin, daß Johrma vor allem als Zeuge gesucht wird, und bittet alle, die ihn gesehen haben, sich zu melden. Der Gesuchte ist etwa eins siebzig groß, hat lange schwarze Haare und war schwarz gekleidet. Er hat einen auffälligen wiegenden Gang und trägt einen Gürtel mit einer großen Messingschnalle. Informationen über den Verschwundenen nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.«
    Tödliches Schweigen machte sich breit. Morgan richtete sich langsam auf. Seine Nase schwoll immer mehr an, und sein Unterhemd war von Blut durchtränkt.
    »Warst du in der Nähe von ihrem Haus?« Wachsendes Entsetzen leuchtete aus seinen Augen. »Hast du etwas gesehen?«
    Errki drehte Däumchen. Er starrte wieder zum Teich hinunter. Er war froh, daß ihm das Bad erspart geblieben war. Sterben würde er zwar auf jeden Fall, aber ertrinken wollte er nicht. Es mußte andere Wege in die Ewigkeit geben als den durch das kalte Wasser.
    »Hast du sie umgebracht? Warst du das, Errki?«
    Errki machte einige zögernde Schritte.
    »Geh weg. Komm ja nicht näher!« Morgan zog die Knie an und rutschte rückwärts. »Wenn sie dich holen, dann behauptest du, du könntest dich an nichts erinnern, was? Oder daß Stimmen dir befohlen haben, das zu tun, denn dann brauchst du nicht zu brummen. Setz dich, hörst du? Du sollst dich setzen!«
    Seine Stimme schlug ins Falsett um. Er versuchte nachzudenken. Der Trottel war nicht nur ein Trottel, es war viel schlimmer, er war total verrückt, er hatte eine wehrlose Oma umgebracht, und er befand sich hier in diesem Zimmer. Die Angst machte die schweißnasse Haut seines Rückens prickeln. Als er endlich etwas sagte, hörte er sich an, als sei Errki ein Hysteriker, der beruhigt werden müßte.
    »Okay, jetzt hörst du mir zu. Setz dich hin und sei ganz locker. Ganz ruhig bleiben. Ich sag nichts über dich, und du sagst nichts über mich. Wir können uns die Kohle teilen, ich hab genug für uns beide. Wir müssen nur über die Grenze nach Schweden kommen.«
    Er kippte Whisky und nagelte Errki dabei mit seinem aufgeregten Blick fest. Er malte sich aus, daß Errki ihn jede Sekunde mit den bloßen Zähnen umbringen könnte.
    Errki sagte nichts dazu. Morgan kämpfte verzweifelt darum, das neue Wissen zu verdauen, und seine Nase pochte jetzt auf widerliche Weise. Er stellte sich vor, daß die Entzündung rasante Fortschritte machte. Errki saß wieder auf dem Boden, an der Wand unter dem Fenster, das auf den Hof blickte. Morgan fand es beruhigend, daß Errki so weit von ihm entfernt war. Und eigentlich sah er doch friedlich aus, und sie waren schon so lange zusammen; wenn Errki ihn umbringen wollte, hätte er das sicher längst

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