Wer hat Angst vorm starken Mann? - Mallery, S: Wer hat Angst vorm starken Mann?
konnte.
Sie stellte die Salate in den Kühlschrank, duschte schnell und rieb sich mit einer nach Jasmin duftenden Lotion ein. Sie trug nur wenig Makeup auf und entschied sich für ein schlichtes grünes Kleid, das vorn geknöpft wurde. Der Halsausschnitt war nicht so tief, dass ihre Absichten auf den ersten Blick erkennbar waren, aber er bot genügend Einblicke, um leicht aufreizend zu wirken.
Erst gestern hatte sie ihre Bettwäsche gewechselt, das war also auch in Ordnung. Außerdem schaute sie in die Schachtel mit den Kondomen, die sie noch herumliegen hatte. Es waren noch drei da, und das Haltbarkeitsdatum lief erst in einem Monat ab. Glück gehabt, dachte sie.
Jetzt hieß es warten, bis Raoul auftauchte, um dann zu entscheiden, ob sie ihn verführen sollte oder nicht. Das Problem war, wenn er Nein sagte, würde ihre Beziehung zueinander vermutlich leiden, und sie konnte ihrem Schwangerschaftsgehilfen Lebewohl sagen. Aber so wirklich glaubte sie ohnehin nicht an das Angebot.
Sie hatte keine Ahnung, was Raoul von ihr hielt. Vermutlich mochte er sie, aber Mögen und Begehren waren zwei ganzunterschiedliche Dinge. Was sie auf keinen Fall wollte, war Sex aus Mitleid. Hinterher als total bemitleidenswert angesehen zu werden, wäre das Schlimmste.
Dann war da noch seine Vergangenheit, die man ja auch nicht außer Acht lassen konnte. All diese fantastisch aussehenden Groupies, die sich ihm an den Hals geworfen hatten. Von so viel Perfektion konnte sie selbst nur träumen. An guten Tagen war sie hübsch, aber meist sah sie einfach nur durchschnittlich aus.
Die nächsten zehn Minuten verbrachte Pia damit, sich verrückt zu machen. In einer Sekunde entschied sie, sie würde Raoul doch nicht fragen, nur um im nächsten Moment ihre Meinung wieder zu ändern. Das Hin und Her machte sie ganz benommen, und daher war sie froh, als sie das feste Klopfen an ihrer Tür hörte.
Sie machte die Tür auf. „Pünktlich auf die Minute.“
Mehr brachte sie nicht heraus. Raoul trat in ihre kleine Wohnung und schien den ganzen Platz auszufüllen. Er war groß und breitschultrig, und plötzlich war nicht mehr genügend Sauerstoff im Zimmer.
„Hallo“, sagte er und reichte ihr die Weinflasche, bevor er sich vorbeugte und Pia auf die Wange küsste. „Du siehst klasse aus.“
Vermutlich gab es Worte, die sie hätte sagen müssen, aber Pia brachte keinen Ton heraus.
Stattdessen registrierte sie, dass Raoul sich umgezogen hatte. Vielleicht hatte er sogar geduscht. Sein Hemd war lässig in die Stoffhose gesteckt, doch es schien jeden einzelnen Muskel zu betonen. Er duftete frisch und sexy und sah so verführerisch aus, dass es schon fast verboten werden müsste. Pia spürte vor Aufregung ein Kribbeln im Magen.
„Danke“, war alles, was sie sagen konnte. Sie drückte ihm die Weinflasche wieder in die Hand. „Kannst du die öffnen?“
„Sicher.“
Er blickte sich um, fand die Küche und machte sich auf denWeg dorthin. Pia folgte ihm und angelte einen Korkenzieher aus einer der Schubladen, um ihn Raoul zu reichen. Anschließend holte sie Gläser aus dem Schrank und stellte sie auf den Tresen.
„Ich war heute bei meiner Ärztin“, erzählte sie. „Wir haben über die nächsten Schritte gesprochen, und sie hat mich untersucht.“
Raoul drehte sich zu ihr herum. „Was hat sie gesagt?“
„Dass es keinen Grund gibt, warum ich Crystals Babys nicht bekommen sollte. Offenbar ist es gar keine so große Sache, die Embryonen einzusetzen.“
Das laut auszusprechen macht es alles schon fast zu real, dachte sie ein wenig benommen. „Zwei Wochen später kann ich dann einen Schwangerschaftstest machen.“
Mit seinen dunklen Augen schaute er sie unverwandt an. „Du willst alle drei auf einmal einsetzen lassen?“
„Sie meint, das wäre das Beste. Anscheinend besteht die Gefahr, dass der eine oder andere Embryo den Auftauprozess nicht übersteht. Aber selbst wenn doch, wird drei als okay angesehen.“
Raoul reichte ihr ein Glas Wein. „Bist du bereit dafür?“
„Nein, aber es ist ja auch nicht so, als wenn ich plötzlich bereit sein würde. Ich glaube, es ist am besten, wenn ich es jetzt einfach mache. Ich möchte nicht, dass ich es mir selbst ausrede.“
„Du musst es doch nicht tun. Du brauchst Crystals Babys nicht zu bekommen.“
Mit beiden Händen umklammerte Pia das Weinglas. „Doch, muss ich. Es ist das, was sie gewollt hat, und sie war meine Freundin. Ich hätte alles getan, um sie zu retten. Knochenmarkspende, eine
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