Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Hausmädchen einen Aperol reichte und Klaus-Dieter in einem nicht enden wollenden Monolog über Humidore, Bootsliegeplätze in Kroatien und die Immobilienpreise auf Long Island parlierte, musterte ich Jesco verstohlen. Seine gelassene Art, die darauf hindeutete, dass er in seinem Leben schon viel gesehen und erlebt hatte, gefiel mir.
Zu viert setzten wir uns an einen mit teurem Porzellan und Silberbesteck gedeckten Designertisch. Während wir eine Consommé aßen, stellte sich heraus, dass ich mit meiner Vermutung über Jescos berufliches Umfeld richtig gelegen hatte: Als Inhaber einer großen Bilderrahmenwerkstatt schreinerte er für einschlägige Galerien, Museen und Kunstsammler Bilderrahmen. Claire und Klaus-Dieter, an deren Wänden zur Einrichtung passende Kunstwerke hingen, gehörten auch zu seinem Kundenkreis. Bestimmt hatte Claire ihn mit der Aussicht auf einen Auftrag zu ihrem Abendessen gelockt. Dass Jesco zu seinem privaten Vergnügen seine Freizeit mit einem Ehepaar verbrachte, mit dem ihn kaum Gemeinsamkeiten verbanden, konnte ich mir nämlich nicht vorstellen.
Neben seiner Tätigkeit als Bilderrahmer war Jesco über die Jahre auch selbst zum Kunstsammler geworden. Seit der Gründung seiner Firma hatte er immer wieder begabten, noch unbekannten Künstlern ihre Bilder gerahmt. Als Gegenleistung hatte er kein Geld verlangt, sondern sich jedes Mal eines ihrer – damals noch wertlosen – Bilder schenken lassen. Einige der Künstler waren seither berühmt geworden, und der Wert ihrer Bilder war in die Höhe geschossen.
Mit einer von Klaus-Dieter im eigenen Jagdrevier erlegten Bache und seinen ebenso laienhaften wie großspurigen Empfehlungen über sinnvolle Investitionen auf dem Kunstmarkt nahm der Abend seinen Lauf.
»Letzte Woche hab ich ein Bild von Sam Rühle für nur zwanzigtausend Steine geschossen«, wandte er sich an Jesco, der wirklich ein gutes Gespür für Kunst zu besitzen schien. »Was sagst du dazu?«
»Wertbeständiger als griechische Staatsanleihen ist es bestimmt. Rühle malt ja zum Glück nicht mehr selbst, sondern setzt nur seine Unterschrift unter Malereien, mit denen er Studenten beauftragt hat.«
»Ich hab letztens ein Interview gelesen, in dem Rühle sogar damit angibt, dass er Malen nach Zahlen zur Kunst erhebt«, streute ich ein.
»Mir ist der Trend zur Manufakturkunst ganz recht«, antwortete Jesco und warf mir einen Blick zu, der mich einerseits faszinierte, andererseits so sehr verunsicherte, dass ich befürchtete, rot zu werden, »die wertet meine Rahmen auf, bei denen ich ab und zu noch selbst Hand anlege.«
Nachdem das Essen abgeräumt war und Claire uns ihre Probleme mit dem arbeitsscheuen Gartenpersonal anvertraut hatte, wandte sie sich an mich.
»Phyllis, jetzt erzähl uns doch mal, wie sich dein neues Leben so anlässt.«
»Überraschend gut«, wiegelte ich ab.
Möglichst unverfänglich berichtete ich, dass ich durch meinen Umzug von Zehlendorf in den Prenzelberger Gleimkiez das Gefühl hatte, in eine ganz andere Stadt gezogen zu sein. Nach wenigen Sätzen merkte ich aber, dass nur noch Jesco mir interessiert zuhörte. Claire hatte indessen ihren Stuhl näher an den von Klaus Dieter gerückt und schmiegte sich an ihn.
»Siehst du, Tiger, Phyllis kommt ganz allein mit drei Kindern zurecht. Willst du nicht doch noch eins kriegen?«, raunte sie ihm zu.
»Klar, aber erst in fünfzehn Jahren, wenn ›Nummer eins‹ und ›Nummer zwei‹ schon aus dem Haus sind«, tönte Klaus-Dieter über den Tisch.
Ich sah zu Claire, die mit verkniffenem Lächeln versuchte, Haltung zu bewahren. Mit ihren aktuell neununddreißig Jahren kam sie für Klaus-Dieters angekündigtes drittes Kind als Mutter nämlich nicht mehr infrage.
Da die »Perle« inzwischen ihren Feierabend genoss, half ich Claire in der Küche, vier Espressi aufzubrühen.
»Klaus-Dieter redet manchmal Unsinn, wenn er was getrunken hat. Das mit dem Timing fürs dritte Kind hat er vor hin natürlich nicht so gemeint …«, sagte Claire und nahm ihren Mann für seinen Patzer in Schutz.
Ich sah das anders, behielt meine Meinung aber für mich. Die machistische Zukunftsvision einer Jungbrunnen-Oase, nachdem die erste Ehefrau ausgedient hatte, passte zu Klaus-Dieter.
Als wir Kaffeetassen und belgische Pralinen ins Esszimmer trugen, sah ich überrascht, dass Jesco sich schon im Aufbruch befand.
»Ich muss morgen früh um sechs Uhr in der Werkstatt sein, damit ich am Montag einen Großauftrag liefern kann«, sagte er
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