Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
Vom Netzwerk:
waren mir zumindest die wichtigsten Kodexe der Kunstszene bekannt. So sprach man zum Beispiel niemals von den »Bildern« eines Künstlers, sondern von seinen »Arbeiten« – was mir prompt ein anerkennendes Nicken einbrachte.
    Gegen Abend verabschiedeten sich Jescos Freunde.
    Während er sie hinausbegleitete, blieb ich allein im Garten zurück. Die Alkohol- und Graswirkung hatte inzwischen nachgelassen, und plötzlich wurde ich wieder etwas nervös.
    Guter Sex war lange Zeit das letzte Bindeglied zwischen Mark und mir gewesen. Zuletzt hatte er jedoch immer seltener stattgefunden und irgendwann war er ganz verebbt. Außerdem war Mark zehn Jahre lang der einzige Mann gewesen, mit dem ich geschlafen hatte. Und so hatte ich auf einmal Angst, mich bei einem quasi Fremden wie ein Anfänger zu verhalten, weil ich die Do’s and Dont’s des Sichverführen- lassens nicht mehr kannte.
    Zudem hoffte ich, dass Jesco meinen erotischen Geschmack teilte. Schon während meiner Sturm-und-Drang-Zeit vor meiner Beziehung mit Mark hatte ich es nämlich als reinste Zeitverschwendung empfunden, wenn ein Liebhaber eine andere Auffassung von Erotik hatte als ich.
    Gar nichts anfangen konnte ich zum Beispiel mit den narzisstisch gestörten »Franky’s Fickparadlern«. Diesem Liebhabertyp ist es ganz egal, mit wem er schläft, sofern die Frau ihn sexuell befriedigt. Seine Darbietung im Bett ähnelt hochleistungssportlichem Rammeln, und zur Steigerung seiner Lust turnt es ihn an, der Frau auf den Po zu klatschen und dabei »Ich fick dich so geil« zu rufen. Rücksichtnahme auf die Frau kennt ein Franky’s Fickparadler nicht, und es würde niemanden wundern, verkündete er nach seinem Orgasmus laut »Erster!«. Nach dem Duschen steht ein Franky’s Fickparadler gern nackt vor dem Spiegel und singt »Sex bomb, sex bomb … I’m a sex bomb«. Das größte Glück beschert sich dieser Liebhabertyp jedoch, wenn er sich genauso wie sein Namensgeber, der Videothekenbetreiber Franky aus dem Film Bang Boom Bang , regelmäßig selbst beim Sex filmt: Die Frau, mit der Franky in dem Streifen Eingelocht aus seiner Pornoreihe Fickparade Sex hat, ist darin kaum zu sehen. Selbstverliebt richtet Franky den Fokus der Kamera nämlich ausschließlich auf sich selbst.
    Ebenso wenig wie diese Spezies mochte ich auf der anderen Seite die »geschmeidigen Pfirsiche«, die außen weich und innen hart waren. Dieser Liebhabertyp geht pseudoeinfühlsam auf die Frau ein und fragt sie nach ihren Gefühlen, während im Hintergrund der Bolero läuft. Damit will er demonstrieren, dass er nicht zu den Männern gehört, die Frauen mit ihrem Können zutexten und dabei grundsätzlich übertreiben. Außer dem ist der geschmeidige Pfirsich stets darum bemüht, einer Frau ihre Wünsche von den Lippen abzulesen. Das tut er jedoch nicht aus Hingabe, sondern weil er es für eine Erfolg versprechende Masche hält.
    Mitunter trägt diese wendige Sorte von Mann der Frau seiner Begierde das Gedicht An die Geliebte von Rainer Maria Rilke vor. Das kennt er nicht aus Liebe zur Poesie auswendig, sondern weil er es schon so vielen Frauen dargeboten hat. Er ist der Schwabe unter den Liebhabertypen, der nur so tut, als mache er sich Gedanken um die jeweilige Frau. In Wahrheit geizt er mit seinen Einfällen, spult immer das gleiche Programm ab und macht Versprechungen, die er nie einhält. Der geschmeidige Pfirsich ist der Typ Mann, der viele große Lieben im Leben hat, von denen keine länger als sechs Wochen andauert.
    Mit einer Mischung aus Rührung und Unverständnis erinnerte ich mich zudem an die »zu Wohlerzogenen«, die zu verklemmt sind, um zu merken, dass man ihnen am liebsten »A little less conversation, a little more action« entgegenschmettern würde. Wobei ich guter Hoffnung war, dass man diesem Antiliebhabertyp jenseits der Dreißig nicht mehr begegnet.
    Mit einem »zu Wohlerzogenen« kommt es in der Regel überhaupt nicht zum Sex, weil er flirtiv-anheizende Psychospielchen nicht durchschaut. Kokettiert eine Frau gegenüber diesem Liebhabertyp beispielsweise damit, dass sie sich nicht sicher ist, ob sie wirklich schon in der ersten Nacht mit ihm schlafen möchte, verführt er sie auch nicht. Stattdessen bietet er ihr höflich sein Bett an, während er sich selbst aufs Sofa legt, mit den Worten: »Wir müssen nichts tun, was du nicht willst.«
    Kommt es dann doch noch zum Sex, fragt er nach, ob man das, was er tut, schön findet. Bejaht man es (um der Fragerei ein Ende zu

Weitere Kostenlose Bücher