Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Strecke geblieben war? Wie Brüderchen und Schwesterchen lebten Matthias und Cosima harmonisch miteinander, und kürzlich hatte er ihr gesagt, sie sei sein bester Freund. Matthias hatte es als Kompliment gemeint und war irritiert, als sie tief verletzt reagierte. Cosima wollte nicht der sexuell neutrale Kumpel ihres Mannes sein. Stattdessen wünschte sie sich nichts sehnlicher, als von ihm wieder als schöne und begehrenswerte Frau wahrgenommen zu werden.
Sprach Cosima ihren Mann auf ihr brachliegendes Sexleben an, wich er dem prekären Thema entweder mit humorigen Floskeln aus, über die Cosima aber nicht lachen konnte. Oder er schob seinen anstrengenden Arbeitsalltag vor, der seine körperliche Lust angeblich hemmte. Insistierte Cosima dennoch weiter, parlierte Matthias darüber, wie gut es ihnen doch gehe und dass sie sich freuen sollten über das, was sie haben, anstatt über »belanglose Kleinigkeiten« zu lamentieren, die in langen Beziehungen zwangsläufig auf der Strecke blieben.
Nach solchen Gesprächen ging es Cosima grundsätzlich noch schlechter als davor. Sie fühlte sich allein gelassen mit ihren Bedürfnissen nach mehr Sinnlichkeit, und es enttäuschte sie, dass Matthias sich dem Problem nicht stellte und es darüber hinaus noch bagatellisierte.
Cosima fühlte sich zu jung, um für den Rest ihres Lebens keinen Sex mehr zu haben. Gleichzeitig wollte sie ihren Mann auch nicht betrügen. Deshalb überlegte sie, ob sie wirklich den Rest ihres Lebens mit ihrem Mann verbringen sollte oder ob es nicht ehrlicher sich selbst gegenüber wäre, wenn sie sich jemanden suchte, der ihre weiblichen Sehnsüchte besser stillen könnte.
Cosima sah mich wieder auffordernd an und fuhr unnachgiebig fort: »Ein früher Samstagabend ist der perfekte Zeitpunkt, um einen Mann zum ersten Mal anzurufen.
Ich hielt das für eine an den Haaren herbeigezogene Aussage. Über einen Dienstag- oder Mittwochmittag konnte man sich streiten, aber wer meldete sich schon bei einem Mann zur Sportschauzeit?
»Das mein ich doch«, sagte Cosima und führte als weiteres abstruses Argument an, jetzt gerade wäre eben ein besonders kreativer Zeitpunkt für einen flirtiven Erstanruf.
Ich gab auf, trank meinen Wein aus, schnappte mir mein Handy und stellte mich nah an das Geländer der Dachter rasse, von dem aus ich das Straßengeschehen beobachten und hören konnte. Leise Geräusche im Hintergrund beruhigten mich, wenn ich nervös war.
Dann wählte ich Jescos Nummer und lauschte dem Freizeichen. Da ich meine eigene Rufnummer nicht unterdrückt hatte, gab es kein Zurück mehr.
»Hallo?«, hörte ich seine Stimme.
»Hi, hier ist Phyllis.«
»Phyllis …«, antwortete Jesco abwesend, während sich meine Vorahnung bestätigte und ich im Hintergrund den Sportreporter laut »Tor!« rufen hörte.
Ich hoffte, Jesco würde noch etwas hinzufügen, doch der schwieg, da er wahrscheinlich gerade Herthas Abstiegskampf durchlitt.
Fieberhaft überlegte ich, was ich als Nächstes sagen könnte.
»Ja, also«, fuhr ich fort, »als du bei Claires Abendessen früher gegangen bist, wäre ich am liebsten mitgekommen.«
»Zu mir?«
Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Doch anstatt mit einer coolen Antwort zu kontern, haspelte ich unbeholfen weiter.
»Ich mein, ich hätte gern noch einen Drink genommen oder so …«
»Dann holen wir das doch nach«, sagte Jesco und lud mich am nächsten Nachmittag in den Garten hinter seiner Werkstatt zum Grillen ein.
»Das ist Natur mitten in der Stadt. Ein paar Freunde von mir kommen auch vorbei.«
Mein Bauch zog sich vor Anspannung zusammen, und meine Gedanken rasten.
Als wäre ich ein Teenie, der zum allerersten Mal ein Date ausmacht, wusste ich nicht, was ich antworten sollte. War es taktisch klug, seiner kurzfristigen Einladung zu folgen, oder sollte ich lieber viel beschäftigt tun und ein Treffen hinauszögern? Oder überreizte ich dann mein Blatt, da ich ihn schon wochenlang hatte warten lassen? Und war jegliches Taktieren nicht ohnehin kindisch?
»Okay, gern«, antwortete ich schließlich.
Da Jesco nichts erwiderte, ich aber hörte, wie sich der Sportreporter ihm Hintergrund über Herthas Abwehr in Rage redete, fuhr ich unbeholfen fort:
»Der letzte Fleck Natur mitten in der Stadt klingt ja auch wirklich schön. Natur entspannt mich immer so. Mit Grillen und frischer Luft und Vögeln und so.«
Cosimas Augen weiteten sich, und ich bemerkte, dass ich schon wieder in der Zweideutigkeit gelandet war.
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