Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
die Rückkehr der Kinder. Da das die Freiheit und Spontaneität meiner Treffen mit Jesco drastisch einschränken würde, sprach ich ihn, als wir uns mal wieder auf einer Picknickdecke in seinem Garten aalten, auf unsere gemeinsame Perspektive an.
»Man weiß doch nie, wohin sich eine Beziehung entwickelt, die gerade erst angefangen hat«, antwortete Jesco.
»Aber man weiß, was man sich von ihr erhofft.«
Jesco öffnete mit seinem Feuerzeug zwei Flaschen Bionade und reichte mir eine.
»Also, ich brauche keine Definition für das, was zwischen uns ist.«
»Ich auch nicht. Aber ich möchte Missverständnisse vermeiden, die durch unterschiedliche Erwartungshaltungen entstehen.«
»Planwirtschaften scheitern«, fuhr Jesco fort, »außerdem würden wir die Spannung zwischen uns kaputt machen, wenn wir alles zerreden. Können wir die Dinge nicht auf uns zukommen lassen?«
Ich versuchte Jesco zu erklären, dass ich mir Spontaneitäten und Traumtänzereien nicht mehr leisten konnte, wenn die Kinder wieder da waren. Mein Alltag mit ihnen war gnaden los durchgetaktet: Morgens Schule und Kita, nachmittags Kinderprogramm, dazwischen musste ich ver suchen Geld zu verdienen, und außerdem …
Jesco unterbrach mich, in dem er seinen Finger auf meinen Mund legte und mit der anderen Hand über mein Bein strich.
»Aye, aye, Captain, ich hab verstanden«, flüsterte er mir ins Ohr. »Bald heißt es: sechs Uhr morgens: aufstehen; sechs Uhr dreißig: Morgenappell, sechs Uhr fünfundvierzig: Frühstück fassen …«
Ich ließ Jescos Kuss zu, mit dem er unser Gespräch endgültig beendete.
Einerseits enttäuschte mich seine ausweichende Haltung. Gleichzeitig fragte ich mich aber auch, was für eine Reaktion ich mir erhofft hatte. Jesco und ich kannten uns erst knapp einen Monat. Konnte ich da wirklich schon sein ernsthaftes Commitment mir und meinen Kindern gegenüber erwarten?
In einem ZDF-Sonntagabendfilm mochte es Männer geben, die der Liebe auf den ersten Blick verfallen und sagen:
»Dir als Mutter gebührt mein voller Respekt; deine Kinder werde ich ebenso sehr lieben wie dich, und wie es auch kommen mag, meistern wir das Leben gemeinsam.«
In der Realität war mir so ein Mann aber noch nie begegnet – und gäbe es ihn, fände ich sein devotes Verhalten garantiert unattraktiv. Vielleicht hatte Jesco auch recht, und ich sollte den Anfangszauber unserer Verliebtheit genießen, ohne zu viel nachzudenken. Zumal ich, wenn ich ehrlich zu mir war, selbst nicht wusste, was für eine Form von Beziehung ich mir mit ihm wünschte. Einen neuen Mann in mein Leben zu lassen, konnte ich mir zwar vorstellen. Doch tat ich mich schwer mit der Idee, dass ein Mann zwangsläufig auch im Leben meiner Kinder eine Rolle spielen würde und umgekehrt. Ich brauchte keinen Stiefvater. Marks und meine unlösbaren Differenzen hatten sich vor allem auf der Paarebene abgespielt. Auch wenn er von jeher vor allem ein Wochenendvater gewesen war, so war er dennoch ein verlässlicher Vater, und die Kinder vergötterten ihn. Ein sich einmischender Dritter würde nur stören. Konnte es mir deshalb nicht geradezu recht sein, dass Jesco nichts überstürzen wollte?
Da Jesco außerdem zeitgleich mit der Rückkehr meiner Kinder einen Stipendiaten seines Vereins nach Texas zu interessierten Galeristen begleiten und sich bei der Gelegenheit auch das Modern Art Museum in Dallas und die Chinati Foundation in Marfa ansehen würde, beschloss ich, die Frage zu vertagen, wie ich ihn und meinen Alltag in Zukunft unter einen Hut kriegen sollte.
Mit Beginn des neuen Schuljahrs wechselten Maya und Fanny von Panama in die Prenzelberger Kita Gleimzwerge . Die neuen Erzieherinnen wirkten weniger dogmatisch als in Panama , und zu meiner Erleichterung bestanden sie auch nicht auf meiner durchgehenden vier- bis sechswöchigen Anwesenheit. Das wäre auch überflüssig gewesen, da die Mädchen sich zu meiner Erleichterung sehr schnell in ihrer neuen Umgebung einlebten und es schon am zweiten Morgen kaum abwarten konnten, zu den Gleimzwergen zu gehen.
Am folgenden Samstag wurde Lorenz eingeschult. In Berlin starten die Erstklässler ihre Schullaufbahn immer am Samstag nach dem offiziellen Schulbeginn, damit die Familien Gelegenheit zum ausgiebigen Feiern haben.
Mark und ich waren uns seit unserer Auseinandersetzung über Franziska aus dem Weg gegangen. Dass wir Loren z ’ Einschulung gemeinsam feiern würden, stand für ihn aber ebenso außer Frage wie die Tatsache, dass ich
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