Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
grinsend an. Nicht wegen des ungelenken Witzes, sondern weil »der Hans und der Franz« bekanntermaßen die Kosenamen sind, die Heidi Klum ihren Brüsten gegeben hat, was Frau Gerlach-Rustemeier anscheinend noch nicht mitbekommen hatte.
Nachdem Lorenz seiner Lehrerin ins Klassenzimmer gefolgt und später mit seinem Stundenplan wieder herausgekommen war, gingen wir bei dem Italiener essen.
Mark und ich bemühten uns, unverbindlich höflich zueinander zu sein. Seine Aggressionen gegen mich spürte ich trotzdem. Mir selbst ging es nicht besser. Schon die Tatsache, dass er nur über sich selbst redete und mit seinen neuesten Mandaten prahlte, fand ich unerträglich. Hinzu kam, dass er in alter Angewohnheit andauernd seine Zunge über dem Zahnfleisch hin und her bewegte, um die entlegenen Winkel seines Mundes von Essensresten zu befreien. Jahrelang hatte ich vergeblich versucht, ihm diesen unansehnlichen Tick abzu gewöhnen. Als ich dies jetzt wieder beobachtete, steigerte ich mich so sehr in meine Aversionen gegen ihn hinein, dass es mir den Magen verdrehte.
Zum Glück taten Lorenz’ Pateneltern ihr Bestes, um die Stimmung zu entkrampfen, und erzählten Lorenz eine amüsante Anekdote aus ihren eigenen Schulzeiten nach der anderen. So bekamen wenigstens Lorenz und die Zwillinge von den Spannungen zwischen Mark und mir nicht so viel mit.
Nachdem wir aufgegessen hatten, verlangte Mark die Rechnung.
»Ich muss leider schon los«, sagte er und aktivierte per Fernbedienung, obwohl es ein milder Spätsommertag war, die Sitzheizung seines Jaguars. Dann reichte er dem Kellner seine Kreditkarte mit den Worten: »Das geht alles auf mich«, unterschrieb den Beleg, verabschiedete sich und ging.
Erleichtert darüber, nicht länger Marks Mundsäuberungen zusehen zu müssen, zwang ich mich zum positive thinking :
Immerhin war Mark großzügig veranlagt. Dirk, der erwähnte Exmann von Esther hingegen, hatte beim letzten Familienfest die Gesamtrechnung in einem Restaurant zu Esthers Erstaunen zunächst allein gezahlt. Doch nachdem die Gäste gegan gen waren, forderte er seine Exfrau auf, ihm die Hälfte des Betrages zurückzuzahlen. Und das, obwohl er freiberuflich tätig war und die Rechnung als Spesen von der Steuer absetzen konnte.
Nachdem die Kinder die ersten Tage ihres neuen Alltags gut gemeistert hatten, startete meine Fortbildung zum 3-D-Visualisierer.
Mit einer Mischung aus Nervosität, Neugierde und Vorfreude auf meine neue Herausforderung schloss ich am ersten Unterrichtstag mein Fahrrad vor einem kleinen Institutshaus in Weißensee nahe der Kunsthochschule ab.
»Hi, gehörst du zu den 3-D-Kursteilnehmern?«, hörte ich eine Stimme mit amerikanischem Akzent neben mir. Als ich aufsah, stand mir ein sympathisch wirkender Mann mit aschblonden Haaren und blauen Augen gegenüber, der mit seinen Jeans, seinem Countryside-Hemd und den australischen Blundstone Boots weniger denaturiert wirkte als die meisten Berliner.
»Ich heiße Dexter und bin der Dozent«, stellte er sich mir vor.
»Hallo, ich bin Phyllis.«
Während Dexter mir den Weg zu unserem großräumigen, mit Computern ausgestatteten Unterrichtsraum zeigte, erwähnte ich, dass mich sein Name an meine Jugendliebe erinnerte: Dex Dexter, der Lover und spätere Ehemann von Alexis Colby aus dem Denver Clan , hatte mir viele Jahre lang von einem Poster über meinem Bett aus zugelächelt.
»Das waren die guten alten Zeiten …«, erwiderte Dexter. »Wenn ich heute in Amerika meinen Namen nenne, denkt jeder sofort an die Fernsehserie Dexter , in der die Hauptperson, ein Forensiker, ein Doppelleben führt und in seiner Freizeit als Serienmörder umgeht.«
Nach und nach trudelten auch die anderen Teilnehmer ein. Insgesamt zehn Leute nahmen an den Kursmodulen teil, von denen die meisten freiberuflich in der Werbebranche arbeiteten und sich schon lange untereinander kannten.
Während der Pausen, die Dexter und ich vom ersten Tag an oft zusammen verbrachten, da meine Mitschüler die Zeit zum Telefonieren, E-Mails-checken oder Internetsurfen nutzten, erfuhr ich, dass er noch nicht lange in Berlin war. Bis vor zwei Jahren lebte Dexter mit seiner deutschen Frau Sina und den gemeinsamen Kindern Noah, sechs Jahre alt, und Liv, fünf Jahre alt, in Grosse Pointe, dem Place-to-be -Bezirk der Motor City Detroit. Dexter hatte dort einen Job, den er sich schon als Kind gewünscht hatte: Als Exterior-Design-Chef arbeitete er in der Entwicklungsabteilung eines
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