Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
Vom Netzwerk:
und Tom angeregt miteinander unterhielten und nicht einmal merkten, wie sich die anderen nach und nach bei mir verabschiedeten. Erst als Anouk im Mantel dastand und Tom an sein Filmmaterial erinnerte, das er bei ihr zu Hause abholen wollte, kehrten die beiden ins Hier und Jetzt zurück. Zum Abschied tauschten sie ihre Nummern aus, und ich war mir sicher, dass Tom meiner Freundin noch in derselben Nacht die erste SMS schicken würde.
    Als ich am nächsten Tag gegen Mittag aufwachte, lag Jesco nicht mehr neben mir; dafür roch es nach Kaffee, und aus der Küche hörte ich das Klappern von Geschirr. Als ich sie betrat, sah ich, dass Jesco Frühstück gemacht und sämtliche Partyreste aufgeräumt hatte.
    »Du hast ja ungeahnte häusliche Qualitäten.«
    Jesco schenkte mir einen Kaffee ein.
    »Du ahnst ja gar nicht, was du noch alles nicht von mir weißt«, entgegnete er spielerisch, doch es steckte viel Wahrheit darin.
    Von seinem Alltag wusste ich wirklich kaum etwas: Ich hatte keine Ahnung, ob er lieber essen ging oder sich etwas kochte, ob er selbst putzte oder eine Putzhilfe kommen ließ, wie viel Wert er auf Ordnung legte, oder bei wie viel Grad er seine Wäsche wusch. Alltägliche Belanglosigkeiten waren bisher kein Thema zwischen uns gewesen, denn unsere Beziehung verlief so, wie ich es mir gewünscht hatte: In ihrer verbindlichen Unverbindlichkeit ähnelte sie einem fest-freien Arbeitsverhältnis – sie war das perfekte wachs weiche Frühstücksei.
    Auf einmal wurde mir jedoch bewusst, dass die Beziehungsform, in die ich mich hineinmanövriert hatte, für ein längerfristiges Zusammensein nicht taugte. Der emotionale Sicherheitsabstand, den Jesco und ich hielten, war zwar erotisch. Zum Preis dafür gab es aber kein Miteinander, sondern nur ein Nebeneinanderher, und das reichte mir nicht mehr.
    »Stimmt, ich weiß wirklich wenig von dir«, antwortete ich, »und ich fänd’s schön, wenn unsere Beziehung im Alltag ankommen würde …«
    Jesco stutzte. Mit einem ernsthaften Gespräch hatte er so früh am Tag nicht gerechnet.
    »Ich meine – vielleicht könntest du meine Kinder mal kennenlernen …«
    »Ach, die Phantomkinder gibt’s wirklich?«
    »Nein, die vielen Spielsachen sind nur Teil meiner Inszenierung«, konterte ich und wurde gleich wieder ernst.
    »Du könntest dann öfters hier übernachten.«
    Jesco sah mich schweigend an.
    »Okay«, sagte er schließlich, »dann machen wir das doch so.«
    Mein Geburtstag lag schon eine Weile zurück, als ich mich an einem Mittag nach der Fortbildung mit Dexter in seiner neuen Wohnung traf. Auf einer alten Küchenzeile breitete ich meine Pläne für den geplanten Umbau aus. Ich erklärte Dexter, welche Wände ich abreißen würde, damit ein großer Raum mit Wohnküche und offenem Kamin entstand, und vor welchen toten Ecken ich Rigipswände einziehen würde, um Stauraum zu schaffen. Außerdem stellte ich ihm meine Konzepte für die Gestaltung der Bäder, der Küchenzeile und weiterer Einbauten vor.
    Weil Dexter die Stirn runzelte, als er die Pläne genauer betrachtete, befürchtete ich schon, seine Erwartungen enttäuscht zu haben. Doch zu meiner Erleichterung war das Gegenteil der Fall: Er bedankte sich für die gute Arbeit und betonte, wie gut ihm das alles gefalle.
    »Nur über die Elektroplanung müssen wir noch reden. Ich brauche viel mehr Steckdosen.«
    »Was? Ich hab doch in jeder Ecke vier eingeplant, reicht das nicht?«
    »Nein«, antwortete Dexter entschieden, gestand mir aber, bereits seine Exfrau hätte ihn mit seinem Steckdosentick aufgezogen.
    »Und sag mal, Phyllis«, fragte er mich, nachdem ich ihm versprochen hatte, die doppelte Anzahl an Steckdosen nachträglich einzuzeichnen, »hast du Lust, auch den Umbau zu organisieren?«
    »Lust schon, aber leider keine Zeit«, sagte ich, gab Dexter dafür aber die Kontaktdaten eines ehemaligen Kollegen, der mittlerweile hauptsächlich als Bauleiter arbeitete. Außerdem versprach ich ihm zu helfen, falls Schwierigkeiten aufträten.
    Das gemeinsame Mittagessen, das er mir vorschlug, musste ich ebenfalls ablehnen. Da die Kinder an diesem Nachmittag einen Impftermin hatten, musste ich sie noch zeitiger abholen als sonst. Ich vertröstete Dexter auf ein anderes Mal und verabschiedete mich.
    Die Praxis unseres langjährigen Kinderarztes Dr. Groß lag in Zehlendorf, und im Berufsverkehr brauchte ich eine gute Stunde dorthin. Über kurz oder lang würde ich mir wohl einen neuen Arzt am Prenzelberg suchen müssen.

Weitere Kostenlose Bücher