Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
Vom Netzwerk:
Bislang war ich davor aber zurückgeschreckt, da Dr. Groß die Kinder seit ihrer Geburt kannte und sie ihm vertrauten. Außerdem mochte ich die pragmatische Art, mit der er im Ernstfall rund um die Uhr für einen da war; in der Rolle eines Emergency-Room -Captains gefiel er sich nämlich am besten. Mit harmlosen Po popickeln oder gängigen Winterrotznasen durfte man Dr. Groß allerdings nicht kommen. Seine Zeit und sein Können widmete er nur wirklichen Problemen, wobei er selbst definierte, was diese Bezeichnung verdiente.
    Damit ich Dr. Groß neben den Impfungen auch wegen des geplanten Patchworks mit Jesco um Rat bitten konnte, hatte ich mir an diesem Tag einen Doppeltermin geben lassen. Dr. Groß hatte mir gegenüber nämlich schon mehrfach stolz erwähnt, dass er auch eine kinderpsychologische Zusatzausbildung besaß.
    Natürlich hoffte ich, Lorenz und die Zwillinge würden Jesco genauso schnell akzeptieren wie Franziska, der ich selbst zwar noch nicht begegnet war. Das, was mir die Kinder über sie erzählten, beruhigte mich aber. Franziska schien weder dem Bild einer klassischen bösen Stiefmutter zu entsprechen noch drängte sie sich zu sehr als Ersatzmutter auf. Deshalb empfand ich ihr gegenüber auch keine Eifersucht oder Missgunst. Im Gegenteil beruhigte es mich eher, dass sie, neben der Sitterin Natalia, den schnell überforderten Mark an seinen Wochenenden mit den Kindern unterstützte.
    Jescos Ausgangssituation war jedoch schwieriger als die von Franziska. Wenn Kinder neue Liebespartner boykottieren, liegt das oft an ihrer Angst, sie könnten in Zukunft weniger Aufmerksamkeit von ihrer Mutter beziehungsweise ihrem Vater erhalten. In Marks Fall war es umgekehrt: Seit unserer Trennung – und seitdem gab es Franziska offiziell – verbrachte er mehr Zeit mit den Kindern und floh nicht auch noch an den Wochenenden ins Büro. Insofern war Franziska in den Augen der Kinder zeitgleich mit dem Phänomen »Papa hat mehr Zeit für uns« aufgetaucht, und sie assoziierten mit ihr nur Positives. Jesco hingegen würden die Kinder als jemanden wahrnehmen, dem sie etwas von ihrer Zeit mit mir abgeben mussten – was ja auch stimmte.
    Vielleicht machte ich mir aber auch zu viele Gedanken. Schließlich gab es auch Fälle, bei denen alles glattlief. Anouk und Tim waren das beste Beispiel dafür: Beide Jungs hatten Tim willkommener aufgenommen, als es Anouk überhaupt lieb war, was wahrscheinlich daran lag, dass Tim mit seiner Vorliebe für Struktur und Ordnung ihre kindliche Sehnsucht nach Verlässlichkeit und Verantwortungsübernahme stillte. Außerdem war er ein begeisterter Tischtennisspieler, was bei den beiden sieben- und zehnjährigen Jungs gut ankam.
    Eine Freundin von Anouk namens Sonja hatte hingegen weniger Glück gehabt. Ihre elfjährige Tochter Alma konnte Sonjas neuen Freund Peter nicht ausstehen und setzte sich jedes Mal, wenn er zu Besuch war, beim gemeinsamen Essen mitsamt ihrem Teller demonstrativ unter den Tisch. Oder sie rührte das Essen nicht an, sondern starrte muffig vor sich hin und sang dabei den Refrain des Lily-Allen-Songs: »Fuck you, fuck you very, very much, cause we hate what you do, and we hate your whole crew, so please don’t stay in touch …«
    Schickte Sonja ihre Tochter daraufhin ohne Essen in ihr Zimmer, schrie Alma hysterisch aus dem Fenster, ihre Mutter ließe sie verhungern und jemand müsse das Jugendamt verständigen. Außerdem beschriftete Alma unermüdlich Zettel mit dem Slogan Peter ? Nein danke und tapezierte damit die ganze Wohnung.
    Sonja konnte tun, was sie wollte: Alma gut zureden, sie bestrafen, ihr Verhalten ignorieren, mit ihr ein vernünftiges »Erwachsenengespräch« führen – eine Chance gab das Mädchen dem verhassten Peter trotzdem nicht.
    Irgendwann platzte Sonja der Kragen, und sie zerrte Alma, die wieder einmal am Tisch das Fuck-you -Lied sang, in ihr Zimmer und schloss die Tür ab. Als sie etwas später nach dem Rechten sehen wollte, stand Almas Fenster offen und ihre Tochter und ein Reisekoffer waren verschwunden. Über zwei Stunden blieb Alma unauffindbar. Dann erhielt Sonja den Anruf eines Schaffners der Deutschen Bahn, der ihre Tochter ohne Fahrschein auf der Toilette in einem Zug nach Köln aufgegriffen hatte, wo der Vater des Mädchens wohnte.
    Das Ende vom Lied war, dass der boykottierte Peter mit Sonja Schluss machte. Als Begründung gab er an, der Stress auf der Waage ihrer Beziehung wöge schwerer als die schönen Momente. Sonja, die vor ihrer

Weitere Kostenlose Bücher