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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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kurzen Liaison mit Peter fünf Jahre lang keinen Freund gehabt hatte, war danach wieder ewig solo. Sie bemühte sich auch nicht mehr um einen neuen Mann in ihrem Leben, weil es keinen Sinn gehabt hätte – denn Peter hatte Alma bestätigt, dass sie die Macht hatte, Liebespartner ihrer Mutter erfolgreich zu vergraulen.
    Als die Impfungen überstanden waren, schickte ich meine Kinder zum Spielen ins Wartezimmer und bat Dr. Groß um ein Gespräch unter vier Augen. Der teilte meine Bedenken nicht, die Kinder könnten sich durch Jesco aufs Abstellgleis geschoben fühlen.
    »Machen Sie sich nicht so ’n Kopp«, sagte er. »Die beiden Kleinen brauchen noch so viel Zuwendung von Ihnen, dass Sie sich lieber sorgen sollten, ob Ihr Freund dabei nicht zu kurz kommt. Und Ihr Sohn ist doch bestimmt froh, dass sich endlich wieder jemand mit ihm vor die Sportschau setzt.«
    Wie hilfreich, dachte ich und beschloss, Dr. Groß’ Hinweise auf seine kinderpsychologische Zusatzausbildung in Zukunft zu ignorieren und ihn wie gehabt nur noch zurate zu ziehen, wenn seine Kernkompetenz als Emergency-Room -Captain gefragt war.
    Stattdessen schlug ich Jesco vor, die Kinder bei den ersten Treffen erst mal unverbindlich kennenzulernen. Nach den vielen Veränderungen der letzten Monate schien mir ein langsames Einschleichen meines neuen Freundes der vernünftigste Weg. Mit unserer Liebesbeziehung könnten wir sie einige Zeit später immer noch konfrontieren.
    Schließlich war es so weit. Ich fuhr mit den Kindern zu Jescos Werkstatt, wo das erste Zusammentreffen stattfinden sollte. Jesco hatte sich auf unseren Besuch vorbereitet: Auf einer leer geräumten Werkbank standen mehrere Töpfe Fingerfarbe und Papier bereit; außerdem hatte er Gläser, Apfelsaft, Butterkekse und Salzstangen zurechtgestellt.
    Maya und Fanny machten sich sofort über die Fingerfarben her. Lorenz hingegen fand erwartungsgemäß die Schreinerei interessanter und ließ sich von Jesco sein Werkzeug, die Hölzer und sämtliche Farben, Lacke und Leime zeigen.
    Ich hatte befürchtet, Jesco könnte sich – da er sonst kaum etwas mit Kindern zu tun hatte – im Umgang mit ihnen so ungeschickt anstellen, dass ich mich fremdschämen müsste, weil er seine Stimmlage um drei Oktaven erhöhte oder übertriebene Späße mit ihnen machte. Doch ganz im Gegenteil nahm Jesco die Kinder ernst und behandelte sie wie vollwertige Menschen. Es berührte mich, wie gut er sich mit den Kindern verstand, und meine Verliebtheit potenzierte sich schlagartig.
    Als die Kinder und ich uns gegen Abend von ihm verabschiedeten, versprach er Lorenz und den Mädchen, bald wieder etwas mit uns zu unternehmen.
    »Können wir dann in den Zoo gehen?«, fragte Lorenz sofort und quengelte, er wäre ewig nicht dort gewesen.
    »Klar, warum nicht«, antwortete Jesco, nicht ahnend, was ihn dort erwarten würde. Ich hingegen war mir sicher, dass Jesco in einem überfüllten Raubtier- oder Affenhaus einen ebenso großen Kinderwelt-Kulturschock erleiden würde wie in der Indoor-Spielanlage Rabatz oder dem Schwimm- und Erlebnisparadies Schwipp-Schwapp.
    Als nervenschonende Alternative organisierte ich deshalb fünf Karten für die Komische Oper, wo Hänsel und Gretel für die Allerkleinsten ab drei Jahren aufgeführt wurde.
    Als wir wenige Tage später alle gemeinsam im Foyer der Oper auf den Einlass in den Saal warteten, klingelte auf einmal mein Handy. Auf dem Display stand »Anonym«. Da ich schon den ganzen Tag auf den Rückruf meines Scheidungsanwalts wartete und mir sonst niemand einfiel, der seine Kennung unterdrückte, nahm ich das Gespräch an. Statt der Stimme meines Anwalts drang jedoch die meiner Mutter an mein Ohr.
    »Phyllis, bist du das?«, rief sie so laut, dass ich die Lautstärke meines Telefons drosseln musste.
    »Ja, natürlich«, antwortete ich – wer sonst sollte an mein Handy gehen? – und hätte am liebsten sofort wieder aufgelegt. Für eine Aussprache mit meiner Mutter war der Moment denkbar ungünstig. Außerdem war ich hin- und hergerissen zwischen meinen ambivalenten Gefühlen ihr gegenüber und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte: Einerseits unterstützte meine Mutter mich finanziell mit ihrer Leihgabe; andererseits hatte sie mich seit meiner Trennung emotional hängen lassen und mir obendrein die Schuld daran gegeben. Nicht zuletzt der Kinder zuliebe, die oft nach ihrer Großmutter fragten, beschloss ich dennoch, mich versöhnlich zu zeigen.
    Doch meine Mutter wollte sich gar nicht

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