Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Ferien zu verführen. Andererseits war ich mir sicher, dass unsere Freundschaft nicht darunter leiden würde, wenn ich ihm erneut einen Korb gab. Dazu war Dexter zu souverän. Und die Vorstellungen, im Pulverschnee Ski zu laufen, abends vor einem Kaminfeuer zu sitzen und eine Auszeit in den Bergen vom düsteren städtischen Winter zu genießen, waren mehr als verlockend.
Außerdem hatte ich noch keine Pläne für die nahende Winterferienwoche. Die findet in Berlin immer Ende Januar statt – ein Zeitpunkt, der vielen Eltern unverständlich ist. Erstens haben sich die Kinder so kurz nach den Weihnachtsferien gerade erst wieder an den Alltag gewöhnt. Zweitens erscheint es vielen nicht rentabel, mit der ganzen Familie für nur eine Woche in den Süden oder in die Alpen zu fliegen – weder vom Kosten- noch vom Stressfaktor her. Bleibt man deshalb zu Hause, weiß man nicht, wie man seine Kinder bei klirrender Kälte mitten in der Stadt eine Woche lang sinnvoll beschäftigen soll.
Einzig die Tourismusbranche rund um die nahe Berlin gelegenen Skihügelchen in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und dem Harz profitieren von der bizarren Terminierung der besagten Ferien. Insofern kann einen glatt der Verdacht beschleichen, dass eine Tourismus-Mafia der besagten Gebiete hinter der seltsamen Planung steckt.
»Komm schon, Phyllis, was gibt’s da zu überlegen?«, fuhr Dexter fort, als er mein Zögern bemerkte. »Als Gegenleistung erwarte ich auch nicht, dass du wieder strippst. Es reicht völlig, wenn du jeden Tag kochst, putzt und meinen Kindern was vorliest, wenn ich Mittagsschlaf halte.«
»Ach so, na dann!«, sagte ich und entschied mich, Dexters Einladung anzunehmen. »Und ich dachte schon, ich müsste den Kamin kehren, Schnee schippen und morgens Brötchen holen, damit du ausschlafen kannst. Fahren wir eigentlich mit dem Auto?«
Dexter nickte.
»Sozusagen. Der Begriff Multivan trifft es besser.«
Ende der Woche war es bereits so weit. Während die Kinder vormittags noch in der Schule und der Kita waren, machte ich mich an eine Tätigkeit, die ich zutiefst verabscheute: das Packen. Was Reisevorbereitungen betraf, ging es mir wie der Tante Jolesch von Friedrich Torberg, die feststellt: »Abreisen sind immer überstürzt.«
Wenigstens waren die Kinder wegen ihrer Zeit in Bayern perfekt für einen Winterurlaub ausgestattet. So stellte ich nicht – wie sonst – auf den allerletzten Drücker fest, was noch alles Wichtiges für die Reise fehlte. Den ganzen Kram zu sortieren und einzupacken, kostete mich dennoch meinen letzten Nerv. Allein die Kinder brauchten Skianzüge, Mützen, Schals, Handschuhe, Schnee- und Sonnenbrillen, dicke und dünne Kleidung für draußen und drinnen, Schlafanzüge, Strumpfhosen, Strümpfe, Winterstiefel, Hausschuhe, (Ski-)Unterwäsche, Kuscheltiere zum Schlafen, Gutenachtgeschichten, Spielzeug, Brett- und Kartenspiele – und das alles multipliziert mal drei. Hinzu kamen unsere Skischuhe, Skier, Skistöcke sowie die Skihelme für die Kinder. Dann noch meine eigenen Kleider, unsere Krankenversicherungskarten, Ausweise, Impfpässe, Notfallmedikamente, Kosmetika plus der Sonnen- und Kältecreme und die Hundedecke. Nicht zu vergessen der Fahrtproviant für sieben Personen und einen Hund: Fünf Tüten Chips, zehn Packungen Kekse, acht Tafeln Schokolade, zwei Stiegen Mandarinen, drei Stauden Bananen, eine Packung Hundeleckerlis sowie jeweils eine Kiste Wasser und Apfelsaft hatte ich gekauft und dazu noch einundzwanzig Sandwiches geschmiert (für jede Person drei). Als das Gepäck gesammelt vor meiner Wohnungstür stand, hätte man meinen können, wir wollten auswandern.
Ich musste an eine Freundin von Claire denken, die mir vor längerer Zeit bei einem Abendessen erzählt hatte, sie und ihr Mann würden für ihre Urlaubsreisen grundsätzlich nur noch ihre eigenen Kleider einpacken und ihren Kindern vor Ort alles neu kaufen. Am Ende der Ferien spendeten sie das Zeug dann an ein Kinderheim des jeweiligen Gastlandes. Proviant packten sie erst recht nicht ein: Dass Speisen und Getränke in Flughafen- und Autobahnrestaurants fünfmal so viel kosteten wie in einem Supermarkt, nahmen sie in Kauf. Ich fand das Reiseverhalten von Claires Freundin zwar dekadent, andererseits musste ich ihr recht geben, als sie später am Abend großspurig tönte: »Geld ist dazu da, Probleme zu erschlagen, Strapazen zu umgehen, Stress zu vermeiden und sich das Leben zu erleichtern.«
Am frühen Nachmittag war es
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