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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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einer Wohnung auf, die ich noch nie gesehen hatte. In zerknautschter Verkleidungsmontur lag ich unter einer Wolldecke auf einem Sofa. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment platzen. Ich setzte mich auf und sah mich um. Zu meiner Erleichterung entdeckte ich auf einem Beistelltisch ein Foto, das Dexter mit einer Frau und zwei Kindern zeigte. Wenigstens war ich nicht bei einem Fremden gelandet.
    »Dexter?«, rief ich und stand mit wackligen Beinen auf. Doch niemand antwortete.
    Ich suchte das Bad und erschrak, als ich mich bleich wie ein Gespenst im Spiegel musterte. Zurück im Wohnzimmer legte ich mich wieder aufs Sofa und sah mir Dexters Foto genauer an: Mit seiner Familie stand er auf der Veranda eines weißen Holzhauses. Die Tochter sah mit ihrem schmalen Körper und den hellblonden Haaren ihrer schlanken und sehr attraktiven Mutter ähnlich. Dagegen schlug der Sohn mehr nach Dexter.
    Ich hörte, wie die Wohnungstür aufging.
    »Du bist ja schon wach. Happy New Year «, sagte Dexter, als er mit einer Bäckereitüte unterm Arm ins Wohnzimmer kam.
    »Danke, dir auch.«
    Peinlich berührt wich ich Dexters belustigtem Blick aus. Meine unfreiwillige Trunkenheit war mir mehr als unangenehm.
    »Ich kann mich an nichts mehr erinnern; habe ich mich sehr schlimm aufgeführt?«
    »Ach was, überhaupt nicht«, entgegnete Dexter. »Als du auf der Tanzfläche gestrippt und dann nackt Limbo getanzt hast, haben die hundertzwanzig anderen Gäste natürlich hingeschaut. Sonst ist aber nichts Besonderes passiert.«
    Ich wollte lachen. Da ein stechender Schmerz durch meinen Kopf jagte, kam aber nur ein Stöhnen aus meiner Kehle.
    Dexter reichte mir ein Glas Wasser mit einer Aspirin und eines der Croissants, die er in einer Sonntagsbäckerei ergattert hatte.
    »Mehr kann ich dir leider nicht anbieten. Auf nächtlichen Frauenbesuch war ich nicht vorbereitet.«
    » Du musst dich sicher nicht entschuldigen.«
    Plötzlich fiel mir siedend heiß Clooney ein.
    »Mist, ich habe meinen Hund vergessen!«, rief ich mit Blick auf die Uhr und sprang auf. »Der muss dringend raus!«
    Ich stolperte zum Sessel, über dem mein Mantel hing.
    »Warte, Phyllis, ich hab auch Lust auf frische Luft. Wir können ja ein Stück aus der Stadt rausfahren und spazieren gehen.«
    Eine gute Stunde später liefen wir mit Clooney um den Neuruppiner See. Das Grau des Himmels riss nur ab und zu auf, und die Luft war eiskalt. Dennoch beobachteten wir einige Saunawütige, die nach ihrem Besuch in der Neuruppiner Therme in eines der in den See geschlagenen Eislöcher eintauchten.
    »Lassen Sina und du euch eigentlich scheiden?«, fragte ich unvermittelt.
    »Fragst du, weil ich immer noch ein Familienfoto bei mir stehen habe?«
    »Kann sein. Ein Foto meines Exmannes wäre das Letzte, was ich mir aufstellen würde.«
    Dexter zuckte die Achseln.
    »Wahrscheinlich betrachten Frauen die Dinge symbolischer als Männer. Mir gefällt das Bild einfach.«
    Scheiden lassen wollte sich Dexter erst mal nicht, was angeblich nichts mit emotionalen Gründen zu tun hatte, sondern mit dem Stress, den eine Scheidung mit sich brachte.
    »Die Probleme würden schon damit anfangen, dass Sina und ich uns nicht einigen könnten, nach welchem Rechtssystem wir uns scheiden lassen sollten. Sina wäre eine deutsche Scheidung lieber, mir hingegen eine amerikanische.«
    Bei einem anderen deutsch-amerikanischen Exehepaar aus Dexters Bekanntenkreis, das sich wegen des Scheidungslandes auch nicht hatte einigen können, war das Scheidungsverfahren fünf Jahre lang und für viel Geld immer wieder von Amerika nach Deutschland und zurück gewandert. Schließlich bezichtigte die amerikanische Richterin, die mit der Frau sympathisierte, deren Noch-Ehemann des unverbindlichen window shoppings , um sich für das günstigere Urteil entscheiden zu können.
    »Ich habe Sina deshalb vorgeschlagen, erst mal abzuwarten und Kraft und Geld lieber in Kinder und Jobs zu investieren«, fügte Dexter hinzu.
    Sina war einverstanden gewesen; zumindest in dem Punkt waren sie sich einig.
    »Und, lässt du dich scheiden?«, fragte Dexter mich zurück.
    Ich nickte.
    »Das Verfahren läuft, aber die Verhandlung findet wegen des gesetzlichen Trennungsjahrs frühestens im April statt.«
    Die Faktenlage, berichtete ich weiter, war bei Mark und mir allerdings unkompliziert: Der Mietvertrag für unser Haus war gekündigt. Der Haushalt aufgeteilt. Einkünfte und Ausgaben unmissverständlich nachweisbar. Und ein gemeinsam

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