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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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Halbschlaf nach meiner Hand griff. Ich zögerte kurz. Im Bann der romantischen Stimmung vor dem knackenden, langsam herunterbrennenden Kaminfeuer ließ ich mich dann aber doch zurück aufs Sofa ziehen.
    Morgen früh kann ich immer noch klarstellen, dass ich es bei einer Nacht belassen möchte, dachte ich, als wir die nächste Runde Sex einläuteten.
    »Habt ihr euch geküsst?«, drang eine Mädchenstimme am nächsten Morgen in meinen Halbschlaf. Ich öffnete die Augen und erschrak. Liv stand im Schlafanzug neben dem Sofa, auf dem Dexter und ich immer noch lagen. Mist, dachte ich – auf frischer Tat ertappt. Dabei hatte ich mir fest vorgenommen, vor dem Einschlafen noch in mein Bett zu gehen. Reflexartig wollte ich aufspringen, als mir gerade noch rechtzeitig einfiel, dass ich nackt war.
    »Nein, mir war gestern nur so kalt, und da hat dein Daddy mich gewärmt«, versuchte ich das Mädchen abzuwimmeln. »Gehst du jetzt bitte nach oben und weckst die anderen?«
    Unter der Decke trat ich Dexter gegen sein Bein, damit er aufwachte. Als er seine Tochter sah, erschrak auch er.
    »Seid ihr jetzt ein Liebespaar, Daddy?«, ließ Liv nicht locker, während sie uns mit einer Mischung aus Neugierde und Misstrauen ansah. Weiteres Leugnen schien zwecklos. Liv war zwar erst fünf Jahre alt, dank ihres älteren Bruders wusste sie aber schon gut Bescheid im Leben.
    »Wir fahren gleich nach Berlin zurück«, umschiffte Dexter die Antwort. »Und jetzt geh dich erst mal anziehen, und zwar schnell!«
    Liv verzog sich murrend. Ich sprang auf und schloss die Wohnzimmertür.
    »Liv erzählt jetzt garantiert den anderen von ihrer Entdeckung«, sagte ich, während ich mir hektisch die Kleider vom Vorabend überzog. »Was sollen wir den Kindern denn jetzt sagen?«
    Dexter nahm mich beruhigend in den Arm.
    »Die Wahrheit natürlich. Oder willst du es nicht mit mir versuchen?«
    Schon wieder diese Überrumpelungstaktik. Was sollte ich denn darauf jetzt antworten?
    Ganz knapp: »Nein, auf keinen Fall« oder ausführlicher: »Vielen Dank für die schönen Ferien und die vergangene Nacht, in der du mich mehrfach befriedigt hast – einen Beziehungsversuch möchte ich aber auf keinen Fall mit dir starten«?
    Als ich mich das letzte Mal derart in die Ecke gedrängt gefühlt hatte, ging ich in die siebte Klasse. Torsten – einer aus der Clique der Coolen – schob mir damals einen der berüchtigten Zettel über den Tisch zu: Willst du mit mir gehen? Ja – Nein – Vielleicht .
    Ein Nein, das war klar, hätte seinen Stolz verletzt, was er mir dreifach heimgezahlt hätte. Bei einem Ja hätte es jedoch kein Zurück gegeben. Ich kreuzte damals »Vielleicht« an und spielte auf Zeit. Da bald ein anderes Mädchen Torstens Interesse geweckt hatte, ging meine Rechnung auf, und ich konnte mich aus der Sache rauslavieren.
    In der Hoffnung, mein Spiel mit dem Kreuzchen beim »Vielleicht« wiederholen zu können, sagte ich:
    »Das kommt alles sehr plötzlich für mich«, als im selben Moment ein mehrstimmiges Kichern vom Flur her ertönte.
    Dexter öffnete die Wohnzimmertür mit einem Ruck: Dort standen alle fünf Kinder und amüsierten sich, da sie natürlich durchs Schlüsselloch gelugt hatten.
    Dexter griff wie selbstverständlich nach meiner Hand und beantwortete damit wortlos alle Fragen der Kinder.
    »Und jetzt frühstücken wir erst mal«, sagte er und ließ meine Hand nicht los, als wir in die Küche gingen. Für ihn schien alles ganz einfach zu sein. Die Kinder folgten uns tuschelnd. Unsicher warf ich einen Blick über die Schulter. Würden sie eifersüchtig sein? Oder es befremdlich, wenn nicht sogar ekelhaft finden, ihre Mutter Hand in Hand mit einem anderen Mann zu sehen?
    Entgegen meinen Befürchtungen wirkten die Kinder jedoch entspannt und fanden die neue Begebenheit eher aufregend als befremdlich.
    In der Vergangenheit hatte ich mich immer lustig darüber gemacht, wenn jemand behauptete, er sei in eine Beziehung hineingeschlittert. Nun war es mir selbst passiert. Natürlich hätte ich noch die Notbremse ziehen können. Doch vielleicht, dachte ich und redete mir die Situation schön, hatte alles auch sein Gutes.
    »Die Popkultur suggeriert uns mit Hollywoodschinken und Songs ein Liebesideal, das der Realität nicht standhält«, hatte ich mal in einem Beziehungsratgeber gelesen. Wahre Freundschaft hingegen schweiße Paare viel fester zusammen als das Herzklopfen der sogenannten großen Liebe. Nicht die Schmetterlinge im Bauch seien von Substanz,

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