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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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der Ring um die Brust sich lockerte. Sie war erleichtert. Ich bin nicht schuld. Es hat nichts mit mir zu tun.
    »Ey, frag mich nicht, woher die das kann. Ich hab ihr gesagt, das nächste Mal kriegt sie den Arsch voll.«
    Melanie warf einen Blick auf Emma.
    »Das hab ich nur so aus Scheiß gesagt. Ich will nicht, dass sie sie wegholen.«
    »Dann hab ich wohl die Tür aufgelassen.«
    »Danke.«
    Sie gingen schweigend weiter.
    Emma kickte einen Stein vom Weg.
    »Kriegst du eine Anzeige?«
    »Eine ist gut.«
    Melanie holte wieder die Zigaretten raus.
    »Verletzung der Aufsichtspflicht. Fahrlässige Körperverletzung. Und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz.«
    Die kennt sich ja gut aus, dachte Emma.
    »Betäubungsmittel?«
    »Na die Pillen. Penelopp hat Ecstasy geschluckt.«
    Emma blieb stehen. Sie starrte Melanie an. Die zupfte sich mit ihren Fingern einen Tabakfussel von der Lippe.
    »Scheiße, das nimmt doch jeder. Ich hatte es echt versteckt.«
    Sie gingen weiter. Melanie murmelte:
    »War arschteuer.«
    »Hast du einen Anwalt?«
    Melanie nickte.
    »Ich hab schon mal einen kennengelernt, also wir hatten miteinander zu tun. Sind in Kontakt geblieben.«
    Sie standen wieder vor dem Eingang der Kinderklinik. Emma zog die Tür auf. Sie merkte, dass Melanie ihr nicht folgte, und blieb stehen. Die junge Frau schloss schon ihr Fahrrad auf.
    »Ich muss mal nach Hause. Du bleibst noch? Sie schläft ja.«
    Ihre Hand war wieder heruntergerutscht. Emma legte sie auf die Decke. Sie ging raus und zog sich im Vorraum einen Kaffee aus dem Automaten. Über der Sitzgruppe hing ein Schild mit einem durchgestrichenen Telefon. Im Eingangsbereich bitte nicht rauchen, dachte Emma und zog ihr Handy aus der Tasche. Sie drückte auf Rückruf und hörte dem leisen Tuten zu. Als Blume seinen Namen nannte, antwortete sie. Ihre Stimme klang schon wieder belegt. Sie war so froh, ihn zu hören. »Warum bist du weggelaufen«, fragte er. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Er sagte:
    »Es muss nicht immer einfach sein.«
    »Ich weiß«, flüsterte sie.
    »Aber noch mehr schlechtes Gewissen kann ich nicht aushalten.«

F ast erwartete sie, dass ihr beim Nachhausekommen der Anrufbeantworter entgegenblinkte. Aber die rote Lampe leuchtete nicht. Auch am nächsten Morgen rief niemand aus Bremen an. Wie auch, dachte sie, ich hab keinem meine neue Nummer gesagt. Aber ihr Handyanschluss war noch der gleiche. Ihr früherer Chef hätte anrufen können, oder der Leiter vom Polizeiressort. Irgendjemand musste sie doch anrufen und ihr sagen, wie es ausgegangen war, das Tribunal.
    Sie ging runter, frühstücken. Die Klappe ihres Postfachs stand offen, ein orange-gelbes Paket schaute heraus. Emma lächelte, als sie ihren Namen in Idas runden Buchstaben sah. Fast hätte sie den weißen Umschlag dahinter übersehen. Sie zog ihn heraus und befühlte ihn. Das Logo ihres alten Senders bedeckte die halbe Vorderseite. Auch hier standen ihr Name und ihre Adresse, säuberlich getippt hinter durchsichtigem Pergament. So schnell ging das. Hatte auch die Sekretärin am Sonntag zur Sitzung kommen müssen? Oder hatte sie alles vorbereitet, den Umschlag und das Schreiben, bitte sehr, die Ratsherren, hier dann nur noch ankreuzen, ja oder nein.
    Emma stopfte beide Umschläge in ihre Tasche und stieß die Haustür auf.
    Beim Asiaten hätte sie fast »das Gleiche wie immer« gesagt. Dann fiel ihr der Reisschnaps ein. Sie musste grinsen und bestellte Kaffee und Eierreis. Der Kellner nickte. Seine Irokesenbürste wippte. Er fuhr mit dem Tuch über die Platte. In Emmas Bauch kitzelte ein Lachen, das glucksend hochstieg. Was ist denn so komisch, fragte sie sich. Werde ich hysterisch und ist es nur, weil jetzt alles entschieden ist? Mit einer offiziellen Rüge konnte sie sich einen neuen Job suchen. Vielleicht kann ich hier bleiben und Tische abwischen.
    Sie öffnete Idas Päckchen. In ein Taschentuch gewickelt lag ein zartes Stück Fischgräte. Ein nadelgroßer Knochen fächerte sich in winzige Stäbchen. Emma berührte es vorsichtig. Letztes Jahr hatte sie ein paar von Idas Geschenken mit dem Makroobjektiv ihrer Kamera fotografiert und dann vergrößert. Wie abstrakte Gemälde, hatte Helene stolz gesagt und ihrer Jüngsten über den Kopf gestrichen. Emma hatte die Bilder in ein Buch geklebt, vorne »Idas Blick« draufgeschrieben und es ihrer kleinen Schwester zum Geburtstag geschenkt. Ida hatte es monatelang mit sich herumgetragen.
    Der Kaffee wurde vor ihr abgestellt,

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