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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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der Leute ruinieren. Wenn das nicht …«
    »Aber die O-Töne! Ich hab doch die Töne!«
    Schneider schnippte den Zigarettenstummel aus dem Fenster.
    »Das ist nicht selbsterklärend. Ein Anwalt nimmt dir das auseinander.«
    »Aber dann …«
    »Ruf an, fax es durch. Du hast genug, um für Unruhe zu sorgen. Sie werden mit uns reden wollen, das Ganze erklären.«
    Emma schaute zweifelnd.
    »Und wenn nicht?«
    »Warte ab. Wenn wir Glück haben, kriegen wir noch mehr.«
    Er gab ihr das Manuskript zurück.
    »Ruf an. Wenn sie dich abwimmeln, schick das Ganze per Fax und E-Mail an die Hausadresse und an Bohmanns Firma. Wir brauchen noch heute eine Reaktion. Ich informiere Schulenburg.«
    An der Tür zum Großraumbüro stieß sie fast mit Bente zusammen. Die Kollegin wich im letzten Augenblick aus. Sie ging über den Flur ins Sendestudio, in der Hand ihr Manuskript. Emma setzte sich wieder an ihren alten Platz, zog ihr Notizbuch zu sich ran und wählte die Nummer vom alten Bohmann.
    »Hier bei … Bohmann. Ja bitte?«
    Die Frau klingt verschnupft, dachte Emma noch. Dann stellte sie sich vor und sagte, sie habe ein Manuskript, das sie zur Autorisierung vorlegen wolle.
    »Ich glaube, Sie sollten lieber an einem anderen Tag anrufen.«
    »Wir senden heute Abend. Ich brauche die Autorisierung noch heute.«
    »Es geht uns hier heute nicht so gut.«
    »Können Sie mir bitte Alexander Bohmann ans Telefon rufen? Oder besser noch Herrn Heinrich Bohmann?«
    Die Frau brach in Tränen aus.
    Was soll das denn jetzt, dachte Emma. Sie räusperte sich.
    »Frau, äh …?«
    »Kummer.«
    »Frau Kummer, ich brauche einen der Herren Bohmann. Jetzt. Es ist für die Familie und die Firma von größter Wichtigkeit.«
    Emma hörte die Frau am anderen Ende atmen. Sie schien um ihre Fassung zu kämpfen. Dann sagte sie leise:
    »Einen Augenblick.«
    Der Hörer wurde zur Seite gelegt, Emma hörte Schritte. Dann war Stille.
    »Bohmann?«
    Es war der Sohn. Emma griff nervös zu dem Manuskript.
    »Herr Bohmann, ich möchte über mein Gespräch mit Ihrem Vater berichten. Ich werde Ihnen jetzt ein vorläufiges Sendemanuskript faxen, dann können Sie …«
    »Mein Vater ist tot.«
    »Was?«
    Ein paar Kollegen sahen hoch. Emma hatte vor Überraschung geschrien.
    »Er ist heute Nacht verstorben.«
    »Aber wie, was …«
    »Er war hundert Jahre alt, Frau Vonderwehr. Wollen Sie immer noch seinen Namen in den Schmutz ziehen?«
    Emma starrte den Hörer in ihrer Hand an. Bohmann hatte aufgelegt. Langsam stand sie auf und ging auf die Tür zu. Schneider kam ihr auf dem Flur entgegen. Er blickte ernst drein. Als er ihr Gesicht sah, fragte er:
    »Was ist los?«
    »Bohmann ist tot. Der Alte. Heute Nacht gestorben.«
    »Ist die Meldung sicher?«
    »Sein Sohn hat es mir gerade selbst gesagt.«
    Mit zwei Schritten war er an der Tür des Großraumbüros und riss sie auf. Er brüllte.
    »Ernst?«
    »Ist nicht da.«
    Emma hörte Sebastians Stimme. Sie stand noch immer auf dem Flur.
    »Dann ruf ihn an. Ich brauch einen Nachruf. Der Architekt Heinrich Bohmann ist gestorben. Und sag dem Chef Bescheid.«
    Emma ging auf das Büro zu und blieb an der Tür stehen. Beobachtete die Routine, die bei einem prominenten Todesfall anlief. Die Nachrichtenredakteure suchten die Nachricht bei den großen Agenturen. Noch war es eine exklusive Meldung. Die hausinterne Agentur wurde informiert, die die Aufgabe hatte, noch mal den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Nichts war peinlicher, als den Tod eines noch lebendigen Prominenten zu melden. Alte Interviews und Berichte über den Mann wurden herausgesucht, die Musikredaktion musste informiert werden, damit nach der Eilmeldung ein getragener Song ins Programm gestellt wurde. Emma stand noch immer an der Tür und sah der Betriebsamkeit zu. Es war, als ginge sie das alles nichts an. Als Schneider an ihr vorbei ins Studio laufen wollte, blieb er vor ihr stehen. Leise sagte sie:
    »Was ist mit meiner Geschichte?«
    Er sah sie an. Weißt du es denn nicht selber, sagte sein Blick. Laut sagte er:
    »Du sollst zu Schulenburg kommen. Jetzt.«

G regor Schulenburg stand am Fenster seines Büros und schaute in den Innenhof des Rundfunkgebäudes. Auf der gegenüberliegenden Seite rauchten ein paar Redakteure auf dem Balkon der Bibliothek. Seit die Intendanz ihre persönlichen Abos gestrichen hatte, entwickelte sich das Zeitungsarchiv zu einem vielbesuchten Ort. Einer der Männer schaute hoch und grüßte. Schulenburg trat einen Schritt vom Fenster

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