Wer im Trueben fischt
sagte Schneider nun wieder halblaut zu dem Nachrichtenmann. Der zog einen Regler. Auf dem Monitor bewegten sich die bunten Balken im Rhythmus des Fernsehtons. Nach einer Werbung für Frischmilch wurden die Kurznachrichten angekündigt.
Drei Männer in Jeans und Sakko verließen das Gerichtsgebäude. Zwei von ihnen zogen ihre Basecaps tief ins Gesicht und wandten den Blick ab. Der dritte lächelte in die Kamera. Er sprach von einem Irrtum und bat um Verständnis, dass er zu einem laufenden Verfahren gegen ihn und seine Mitarbeiter nichts sagen könne. Das Bild blieb eingefroren in der Großaufnahme, während eine Reporterin im Vordergrund über die Aufhebung der Haftbefehle berichtete. Emma warf einen Blick zu Bente. Sie spürte es, drehte sich zu ihr und nickte leicht. Emma fixierte wieder den Bildschirm. Das war er also. Siebenschläger hielt den Kopf geneigt und lächelte sie von schräg unten an. Dabei verzog er seine Mundwinkel, als halte er das alles für einen Riesenspaß. Er sah charmant aus, klug und Herr der Situation. Seine blauen Augen schienen sich direkt auf sie zu richten. Der Angestellte von der Baustofffirma kam ihr in den Sinn und Bentes Bericht von der Demo, in der Siebenschläger seine Leute im Griff hatte. Fast bedauerte sie es, ihn von der Liste der Verdächtigen streichen zu müssen. Aber sie war sich sicher, diesem Mann noch wieder zu begegnen. Wenn sie in Berlin blieb.
Der Bildschirm wechselte, das Wetter wurde angekündigt. Die Gruppe löste sich auf. Der Mann von den Nachrichten unterteilte die Worte der Fernsehmoderatorin bereits in Dreißig-Sekunden-Takes, die er in seine Sendung einbaute.
Emma ging auf Schneider zu.
»Ich möchte mit dir über Bohmann reden. Ich hab was. Es ist wichtig.«
»Später, okay.«
Er drehte sich zu Bente um. Sie tippte in Rekordschnelle auf der Tastatur.
»In zwanzig Minuten?«
Sie nickte ohne aufzusehen. Schneider atmete tief durch. Zum ersten Mal heute Morgen sah er Emma an. Irgendwas ist anders, dachte er. Und dann fiel es ihm ein.
»Weißt du schon was?«
»Sie erwägen einen Tadel. Keine offizielle Rüge.«
Sie lächelten sich an. Immer breiter. Schließlich lachte Schneider.
»Was hast du über Bohmann?«
»Dunkle Geschichten. Seine Anfänge. Illegal, denke ich. Auf jeden Fall fragwürdig.«
»Mach mir einen Entwurf. Dann reden wir.«
Schneider verließ den Raum. Emma setzte sich an einen freien Schreibtisch und fuhr den Computer hoch. Die Kontrolldateien liefen durch. Emma langte über den Tisch und zog das Telefon zu sich. Sie wählte ihre alte Nummer. Nach dem dritten Klingeln sprang der Anrufbeantworter an, Idas Stimme erklärte, dass niemand zu Hause sei. Zum Glück, dachte Emma. Sie wollte jetzt nicht lange reden. Schnell erzählte sie von dem Brief. Dann wusste sie nicht wei ter. Ich muss jetzt hier anfangen, sagte sie endlich. Sie legte auf und fragte sich, wie Helene den letzten Satz verstehen würde.
Die Anfangsmaske blinkte. Sie schloss ihr Aufnahmegerät an und zog die Audiodatei ins Schnittprogramm. Als sie nach dem Kopfhörer griff, zitterten ihre Finger. War die Aufnahme klar genug?
Aber da war er. »Machen Sie sich nicht lächerlich. Es war Krieg.« Emma zog die Regler ganz nach oben. Die leisen Geräusche vom Fest im Hintergrund wurden etwas lauter, aber noch immer war Bohmann gut zu verstehen.
Erst der aktuelle Bezug. Das prominente Mordopfer wollte Kontakt zu Bohmann aufnehmen. Bestätigung: Bohmanns Aussage, der Anruf, den er abwimmelte. Warum? Emma berichtete über den Deal mit dem Großvater. Sie zog die Töne von dem Historiker Klinke ins Programm. Als unabhängige Quelle berichtete er davon, redete über das Zehlendorfer Grundstück, erklärte das Kürzel und die Besitzname von Bohmann. Emma überlegte, ob sie die illegale Methode kommentieren sollte. Aber Moment, konnte das Bohmann nicht besser selber? Sie fuhr im Schnellmodus vorwärts. Wieder hörte sie die alte Stimme:
»Ich habe meinen Meister übertroffen. Ein weißer Jude, der ist schlimmer als die Sippe.«
Sie speicherte alles ab und druckte das vorläufige Sendemanuskript aus. Fast lief sie über den Flur. Sie hatte Glück, Schneider war allein in seinem Büro. Er stand am geöffneten Fenster und rauchte. Wortlos streckte er die Hand nach dem Manuskript aus. Sie gab es ihm. Er las. Dann schaute er hoch.
»Dafür brauchen wir eine Bestätigung.«
Emma ließ ihre Schultern hängen.
»Die bekommen wir nie.«
»Emma, dies hier kann die Firma und den Ruf
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