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Wer liebt mich und wenn nicht warum

Wer liebt mich und wenn nicht warum

Titel: Wer liebt mich und wenn nicht warum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Andeck
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schlafen.
    7.55 Uhr   Herr Welter ist endlich da und Vicky will anfangen. Ha, ich hab’s ja gewusst, sie spricht über Pferde! Genauer gesagt über Pferdekrankheiten. Bandwürmer, Fadenwürmer, Lungenwürmer und Leberegel. Sie will dem Tierarzt auf der Insel bei der Versorgung der Wildpferde helfen, sagt sie. Tja, wird sie aber nicht. Weil Maiken und ich sie nämlich gleich rauskicken und dann hat es sich ausgeegelt für sie.
    Brrr, wie sie da am Pult lehnt und mit den Augen plinkert. Sie hat schon so ein Zahnpasta-Siegerlächeln drauf, aber das wird ihr vergehen!
    8.05 Uhr   So. Jetzt ist Frau Professor Doktor Maiken dran undsie macht das gar nicht schlecht. Ihr Forschungsinteresse gilt nicht Tieren und Pflanzen, sagt sie, sondern Menschen, und zwar denen, die am Projekt beteiligt sind.
    »Mensch und Tier sind auf dieser Insel gleichberechtigt. Aber, ganz wichtig: Sie leben nebeneinander her, nicht miteinander.« Sie zeigt ein Bild, auf dem Pferde an einem Seeufer grasen, im Hintergrund erkennt man einen Hochsitz mit Menschen. Ist das auf der Insel? Sieht ja idyllisch aus!
    »Die Tiere sollen nicht von Menschen abhängig sein, sondern ein Eigenleben führen«, fährt Maiken fort und klickt auf das nächste Bild. Es zeigt zwei Hengste, die miteinander kämpfen. »Für die menschlichen Inselbewohner heißt das: Niemand darf ohne wichtigen Grund in Kontakt mit einem Tier treten. Niemand darf eines von ihnen zähmen. Niemand darf ein Tier anlocken oder streicheln. Das sind die Regeln und alle Mitarbeiter und Besucher wissen das. Aber klappt das auch? Können Menschen so etwas akzeptieren? Oder versuchen sie irgendwann heimlich, sich über diese Regeln hinwegzusetzen?«
    Jetzt sieht man das Foto eines total niedlichen Fohlens mit Wuschelfell und Plüschöhrchen. Alle Mädchen kreischen: »Süüüüüß!«
    Gut gemacht, Frau Professor!
    »Distanz zu den Tieren entscheidet über Erfolg und Misserfolg des Projektes«, doziert Maiken weiter. »Denn wenn Menschen sich nicht an diese Regeln halten, sind Unfälle vorprogrammiert. Dann wird irgendwann ein Auerochse einen vermeintlichen Angreifer auf die Hörner nehmen oder ein wildes Pferd sein Fohlen verteidigen und ausschlagen. Ein solcher Vorfall würde die Insel in die Schlagzeilen bringen und die Tage des Projektes wären gezählt. Ich möchte also auf dieser Insel herausfinden, wie man Menschen so auf diese Situation vorbereiten kann, dass ihnen der gleichberechtigte und vor allem der distanzierte Umgang mit den Tieren in Fleisch und Blut übergeht.«
    Herrn Welters Blick ruht wohlwollend auf Maiken. Ich glaube, sie hat den Job.
    Jetzt ich. Puh.
    8.30 Uhr   Geschafft! Pause!!! War ich gut oder war ich schlecht? Keine Ahnung. Ich habe wie geplant bei den Höhlenmenschen und der Zähmung der Kuh begonnen und dann von der letzten Auerochsenkuh erzählt, die im Jahr 1627 starb und vermutlich zu einem Trinkhorn für irgendeinen Ritter verarbeitet wurde. Seitdem sind diese Tiere ausgestorben. Es gibt auf der ganzen Welt kein einziges Exemplar mehr.
    Was man heute Auerochsen nennt, sind »Nachbauten«, die aus urigen Hauskuhrassen gezüchtet wurden. Diese Revival-Ochsen sehen den Auerochen von früher zwar ähnlich, aber natürlich haben sie andere Gene, denn was einmal ausgestorben ist, kann man nie wieder zurückzüchten. Heckrinder heißen sie offiziell.
    Solche künstlichen Urviecher leben zurzeit in vielen Naturschutzgebieten. Man braucht dann keine Zäune, sie sind so etwas wie lebende »Bitte-das-Naturschutzgebiet-nicht-betreten«-Schilder. Ein Blick in die Augen eines solchen Urtiers und du überlässt den Wald freiwillig der Natur. Außerdem dienen sie als Rasenmäher und ihre Kuhfladen düngen den Boden.
    Immerhin leben diese Wildkühe heute genauso wie Auerochsen in der Steinzeit: Sie haben noch nie einen Stall voninnen gesehen und kein Mensch hat ihnen je vorgeschrieben, was sie tun oder lassen sollen.
    Das erzählte ich der Klasse und danach erklärte ich mein Forschungsvorhaben: An diesen wilden Kühen will ich studieren, was es bedeutet, mit Haut und Hörnern Kuh zu sein. Stehen sie auch nur rum und käuen wieder, so wie Milchkühe auf der Alm? Oder leben sie wild und gefährlich? Kämpfen sie? Schließen sie Freundschaften? Haben sie Lieblingsplätze? Baden sie manchmal im See? Ich werde sie beobachten und wenn ich weiß, was wilde Kühe mögen, kann ich daraus schließen, was auch zahme Stallkühe glücklicher machen könnte. Ich werde eine Liste mit

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