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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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schreibe mir alles auf.
    Pedro Jequitibá sprach gerne von sich. Er erzählte mir von seiner Freundschaft mit einem großen tibetischen Geistführer, dem Yogi Maye Masheieno, der in ihm das Interesse »für nutzbringende Fragen der Metaphysik« geweckt hatte, so Pedros eigene Worte, wissen Sie, sagte er, es gibt existentielle Fragen, die zu nichts führen, er sagte, ich kümmere mich nur um das, was wichtig ist, was zu konkreten Zielen führen kann, beruflichem Erfolg, Gewinn, das ist es nämlich, natürlich, sagte ich, im übrigen beschränkten sich meine Beiträge auf natürlich, ja, zweifellos, und das muß Pedro Jequitibá in Fahrt gebracht haben, denn er hörte gar nicht mehr auf, mir in allen Einzelheiten von seinem dreimonatigen Praktikum an der Science of Transcendental Process University in Ohio und von seinem Studium des Verständnisses der Harmonischen Ordnung der Wirklichkeit zu erzählen, das er als Fernstudium absolviert und das ihm den Titel Spiritueller Meister eingebracht hatte. Jequitibá überreichte mir zwei Disketten mit der Trilogie … kann man lernen, die in Kürze herausgebracht werden würde, damit ich sie zu Hause lektorierte. Das Schreiben geht mir sehr leicht von der Hand, sagte er, ich setze mich hin und schreibe drauflos, so als würde irgend etwas in mir die ganze Arbeit tun, ich bin lediglich das Gefährt, die Dinge kommen, ich muß sie nur aufs Papier bringen, und ich tue das mit der größten Leichtigkeit. Natürlich, sagte er, sind im Manuskript wahrscheinlich ein paar Rechtschreibfehler. Ich gestehe, daß Rechtschreibung nicht gerade meine Stärke ist. Niedergeschlagen ging ich hinaus. Das Gehalt ist zumindest nicht so schlecht wie das, was Wilmer Ihnen gezahlt hat, sagte Ingrid in dem Versuch, mich zu trösten. Es gab keinen Trost.

19
    Als wir den Verlag verließen, lud Ingrid mich zu sich nach Hause zum Abendessen ein. Ich hatte Fúlvia versprochen, daß ich zu Hause bleiben würde, sie wollte anrufen, ich überlegte, ob ich Ingrids Einladung ausschlagen sollte, aber sie war so nett gewesen, ich war ihr wirklich dankbar, ich nahm an. Wir gingen bei einem Supermarkt vorbei und kauften Wein, Zitronen und Knoblauch.
    Sie wohnte in einer kleinen Wohnung mit geblümtem Sofa, Rüschengardinen, vollgestopft mit lauter Krimskrams.
    Sie band eine Schürze um, machte den Wein auf, und während ich auf einem kleinen Resopalhocker neben dem Waschbecken saß und trank, wieselte sie pausenlos vor mir umher, machte den Herd an, redete, schnitt die Zutaten zurecht, lachte, nachdem der Wein angefangen hatte zu wirken, wurde es noch spannender. Während des Abendessens erzählte sie mir, daß sie schon einmal verheiratet gewesen war. Sie hatte den Mann auf einem Transatlantik-Liner kennengelernt, von Rio nach Patagonien, vier Monate lang waren sie ein Liebespaar, und dann heirateten sie. Der Typ war einfach sensationell, sagte Ingrid. Ich sagte ihm ständig, erklärte sie, du darfst nicht so sensationell sein, aber der Typ war wirklich total sensationell, er tanzte gerne, ging gerne essen, er liebte Tiere, mochte Kino, Theater, Jazz, Rock ‘n’ Roll, Bossa Nova, und er kochte besser als alle Leute, die du je im Leben kennengelernt hast. Diese Nudeln, die du gerade ißt, sagte sie, das ist sein Rezept. Wenn ich erschöpft nach Hause kam, holte er einen Lachs aus der Gefriertruhe, machte einen Wein auf, werkelte in der Küche und sang vor sich hin, wenn ich mich an den Tisch setzte, servierte er mir ein wundervolles Festmahl. Ich habe vergessen zu erwähnen, er war Ingenieur und verdiente gut. Zwei Monate nach unserer Hochzeit komme ich nach Hause und finde meinen Gatten, diesen außergewöhnlichen Mann, ein Meter achtzig schiere Muskeln, im Schlafzimmer, stell dir das mal vor, mit einem Messer in der Hand, die Pulsadern aufgeschnitten, blutend. Ich habe es schlicht und einfach nicht verstanden. Er schaute mich an, er sagte kein Wort. Ich brachte ihn ins Krankenhaus, rief seine Familie an, und da erzählten sie es mir. Mein Mann war manisch-depressiv. So eine Scheiße, schrie ich im Krankenhaus seine Mutter, seine Geschwister an, warum zum Teufel hat mir das niemand vorher gesagt? Wir dachten, er hätte es erzählt, sagten sie. Er wurde stationär behandelt, kam wieder auf die Beine, und dann hatte er alle sechs Monate eine Krise, kam ins Krankenhaus, dann ging es ihm wieder gut, dann wieder schlecht, gut, schlecht, gut, schlecht, zwei Jahre hat die Ehe gehalten. Eines Tages kam ich nach Hause

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