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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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in unsere Wohnung, ich war so unglücklich, ich schloß die Tür auf, er saß vor dem Fernseher mit diesem Gummiblick, vor ihren Krisen sind sie so, die Psychotiker, sie bekommen diesen Blick, der nichts fixiert und der etwas zu sehen scheint, was du nicht siehst. Ich sagte: Jetzt reicht’s, es ist aus. Er behielt weiter seinen Gummiblick, er und seine Traurigkeit, er sprach kein einziges Wort. Ich packte meine Sachen, kann sein, daß es egoistisch war, aber ich dachte, scheiß drauf, es gibt Momente, in denen muß man einfach egoistisch sein. Ich zog zu meiner Mutter. Wir haben uns nie wieder gesehen und auch nie wieder miteinander gesprochen. Ich weiß nicht mal, ob er noch lebt. Jetzt hilf mir die Teller abräumen, sagte sie und erhob sich vom Tisch.
    Wir verbrachten den Rest des Abends nebeneinander im Wohnzimmer sitzend, tranken, hörten Musik, ich sagte zu mir selbst, daß ich gehen müßte, und blieb und blieb, Fúlvia wird anrufen, sagte ich und blieb, Fúlvia ist allein und muß leiden, dachte ich und blieb, und es kam der Augenblick, als unsere Münder einander so nahe waren, unsere Augen, ich bin ein Schwein, dachte ich. Die Frau, die ich liebe, muß leiden, die Ärzte amputieren dem Ehemann meiner Frau gerade ein Bein, und ich kichere hier mit einer Deutschen herum. Ich stand auf, bedankte mich für das Abendessen, für all die Hilfe, ich war ehrlich, sagte, daß sie eine sehr interessante Frau sei, und ging, bevor die Dinge sich verkomplizierten.

20
    Eine Woche später kam Ronald wieder nach Hause. Fúlvia verbrachte den größten Teil des Tages an seiner Seite. Wir konnten uns fast überhaupt nicht sehen, das war das schwerste. Ronald rief alle drei Minuten nach ihr, verlangte Wasser, Medikamente, Saft, Kaffee, Zeitungen, die Fernbedienung, alles mußte ihm in die Hand gedrückt werden, und zwar unverzüglich, denn seine Laune war miserabel. Er leitete seine Geschäfte vom Bett aus, wickelte sie übers Telefon ab. Der schlimmste Teil war das Duschen. Fúlvia hatte vorgeschlagen, einen Pfleger zu engagieren, aber Ronald wollte nicht, daß jemand sein verstümmeltes Bein sah. Gewöhnlich rief sie mich von einem öffentlichen Telefon aus an, ich liebe dich, mußte ich sagen, ich liebe dich, laß uns Ronald jetzt gleich umbringen, wir töten ihn irgendwie, sagte sie, ich liebe dich, wir erschießen ihn, bei Nacht, sagte sie, laß es uns zu Ende bringen.
    Als wir uns das erste Mal nach Ronalds Heimkehr wiedersahen, tat Fúlvia mir richtig leid, sie hatte viele Kilo abgenommen, sah blaß aus, mit Ringen unter den Augen, ich war gezwungen, sie noch trauriger zu machen, indem ich log und sagte, daß unsere Sucuri gestorben sei. Es wird besser werden, sagte sie, das Leben kann nicht nur diese totale Scheiße sein. Als wir uns auszogen, wurde das Leben unverzüglich besser. Sie sagte zu mir, das einzige, was zähle, sei unsere Liebe, und meine Schlangen, sagte sie, ich liebe dich und meine Schlangen, nur das zählt, die Schlangen und du, meinetwegen kann der Rest zum Teufel gehen, erklärte sie. Dann komm, sagte ich, verlaß Ronald und zieh hierher, ich habe keine Angst vor Ronald, wir bieten diesem Kerl die Stirn. Willst du ihn nicht töten? fragte sie. Es ist nicht mehr nötig, ihn umzubringen, sagte ich, nein, sagte sie, da irrst du dich, nein, wir müssen ihn sehr wohl umbringen, wir müssen den Weg zu Ende gehen, nein, sagte ich, Ronald ist jetzt ein Niemand, er wird sich unseren Entscheidungen nicht entgegenstellen, er hat dazu keine Kraft, der Unfall hat ihn zugrunde gerichtet, denk doch mal richtig nach, wer ist Ronald denn schon? Ein Hinkebein ist er, sagte ich. Nein, du kapierst nicht, sagte sie, eines Tages, wenn ich gerade auf der Straße gehe, aus dem Kino komme, Besorgungen mache, werde ich drei Kugeln in den Rücken bekommen, das wird passieren. Er bedroht mich jeden Tag. Genau das wird passieren. Wir müssen ihn umbringen, sagte sie.
    Fúlvia hatte sich bereits alles überlegt. Wir würden Ronald nach dem Muster aus meinem Buch Die Sonne und nichts als die Sonne umbringen. Wir würden ihn in das Haus der beiden am Strand von Ubatuba bringen. Im Morgengrauen würde sie ihn, der schon halb benommen von den Schlafmitteln wäre, die sie ihm in die Milch tun würde, in ein Segelboot verfrachten. Ronald segelte fürs Leben gern. Ich würde ein weiteres Boot mieten und mit ihnen auf offener See zusammentreffen.
    Mit unseren Ruderblättern würden wir ihm ein oder zwei Schläge versetzen, nur um ihn

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