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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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volkstümlichen Musikanten bis aufs Blut zu hassen. Je mehr sich der Leitenbauer gefreut hat, desto mehr habe ich sie für ihre Musik und ihre runden, gesunden Gesichter gehasst. Die Gesichter auf der Autogrammkarte der Mürztaler Lausbuben sind deshalb die grauslichsten Fressen für mich gewesen die es gibt, Kreisky, wirklich wahr.«
    Was in Wirklichkeit falsch und aufgesetzt war, war für den Leitenbauer echt und authentisch. Die Mürztaler Lausbuben waren für den Leitenbauer der Inbegriff der steirischen Seele. GLEICH UND GLEICH GESELLT SICH GERN , hat die Mutter immer gesagt, was wahrscheinlich der Grund dafür war, warum dem Leitenbauer die Mürztaler Lausbuben so getaugt haben. War auf dem Radio versehentlich einmal ein anderer als der Pichlberger Regionalsender eingestellt, wurde dort gerade die vom Leitenbauer gehasste moderne Negermusik gespielt, wie er sie nannte, schon stellte er in einer unangebrachten Hektik die seiner Meinung nach richtige Frequenz ein. Bei den ersten Klängen einer Trompete oder der steirischen Knopferlharmonika war der Leitenbauer wieder beruhigt. Wurde bei einem Refrain das vom Leitenbauer so beliebte Hollodero! gesungen, schon klatschte er in die Hände, stampfte mit einem Fuß auf den Boden und stimmte begeistert in das Hollodero! ein. In dieser Pose ist der Leitenbauer auch zu Beginn des Auftritts der Mürztaler Lausbuben beim Pichlberger Zeltfest dagestanden. Dieses Zeltfest war eine Mürztaler Institution und wurde abwechselnd von der Gemeinde Pichlberg und deren Nachbargemeinde Brandtal veranstaltet. Bei der einwöchigen Veranstaltung war der Leitenbauer zumindest einmal anwesend. Meistens bei der Schlussveranstaltung, bei der immer auch eine bekannte österreichische volkstümliche Musikgruppe auftrat, des Öfteren auch die Mürztaler Lausbuben. Als die das erste Lied ausgespielt hatten, befanden sich bereits fünf Krügel, also zweieinhalb Liter Bier, im Bauch des Leitenbauer. Zusammen mit den Kameraden vom Pichlberger Kameradschaftsbund saß er auf den Holzbänken der Freiwilligen Feuerwehr Pichlberg, die unter dem Ehrenschutz der Bürgermeister von Pichlberg und Brandtal für die Sicherheit Sorge zu tragen hatten. Sobald die Mürztaler Lausbuben auf der Bühne ihren Zinnober aufführten, wie man die Darbietung bezeichnen muss, wurde der Tanzboden augenblicklich von Steireranzügen und Dirndlkleidern gestürmt. Hollodero, der Leitenbauer!, hat dieser ausgerufen und sofort zehn Reininghaus Augenkannen, wie die kugelförmigen Bierkrüge heißen, mit den Worten: zehn Bier für die Musi!, bei der großbusigen Servierdame bestellt. Drehte er den Rest des Jahres jeden Schilling zweimal um, wie man so schön sagt, ließ seiner Frau und den Kindern nicht die geringste Aufmerksamkeit in Form eines Geschenks zukommen, weil ihm Geschenke als etwas Unnützes vorkamen, war er bei der Bestellung von Bier für die Musikanten und der Trinkgeldvergabe an die großbusigen Servierdamen immer sehr spendabel. Mit der Frage, was kostet die Welt und sich die Frage gleich selbst mit hundert Schilling beantwortend, steckte er den Hunderter der überraschten Servierdame in den Ausschnitt. Aus Dankbarkeit schenkte die ihm eine Augenkanne mit dem guten Reininghaus Bier, worauf der Leitenbauer ein erfreutes Vergeltsgott ausrief. Auf der anderen Seite des Tanzbodens stand der Tisch der Brandtaler Freunde der Blasmusik, wie der Verein in Anlehnung des bekannten Spruches hieß. Diese Freunde der Blasmusik waren dem Kameradschaftsbund seit jeher verhasst, aus dem einzigen Grund, weil sie keine Pichlberger, sondern Brandtaler waren. Der in Österreich weit verbreitete Lokalpatriotismus war sowohl in Pichlberg als auch im Brandtal ein beliebter Brauch. Diesen Brauch ausübend, wurden schon viele Generationen meist männlicher Pichlberger und Brandtaler in das Landeskrankenhaus Mürzzuschlag eingeliefert und in der dortigen chirurgischen Ambulanz wieder zusammengeflickt. Der Leitenbauer, als Freund der Tradition und des Brauchtums, sprach sich leidenschaftlich dafür aus, diesen Brauch nicht der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. In der allgemeinen Euphorie über die Darbietung des Zinnobers der Mürztaler Lausbuben wurde bereits im gesamten Zelt auf den Tischen getanzt und eine Augenkanne Reininghaus um die andere in die Kehlen der Zeltfestbesucher geschüttet. Um die ganzen Biere auszutrinken, die ihnen von den Zeltfestbesuchern spendiert wurden, hätten sich die Mürztaler Lausbuben im Zuge des Abends

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