Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
Vom Netzwerk:
Leitenbauer gewohnt war. Das Drücken des Leitenbauer war immer grob und ungeduldig. Wogegen das Drücken des Riesen beschützend und ruhig war. Es ist ein väterliches Drücken gewesen, aufmunternd, zärtlich und war somit für den Norbert bis dahin unbekannt. Der Riese hieß eigentlich Hermann und war der Schmiedechef. Dreitausend Grad!, hat der Hermann gerufen, dessen weiße Zähne aus dem schwarzen Gesicht geleuchtet haben während des Aussprechens der Worte. Die Worte haben sich schwer getan zu den Ohren des Norbert zu gelangen, haben sich durch das Krachen des Lichtbogenofens zu kämpfen gehabt. Von den anderen Arbeitern hat man auch nur die weißen Zähne aus den schwarzen Gesichtern blitzen sehen, wobei man nicht gewusst hat, ob sie geschrien oder gelacht haben oder beides. Dieses Blitzen wurde nur von den langen Schlucken unterbrochen, die sie aus ihren Bierflaschen genommen haben. Wegen der Hitze haben sie ihr Bier auf einen Zug ausgetrunken. Der Hermann hat dem Norbert die Produktionsschritte erklärt. Die einzelnen Prozesse beschrieben, die Verwandlung des Schrotts in Stahl. Hat ihm die Stranggussanlage gezeigt, die Schmiedepresse, den Freischmiedehammer und die Trennmaschine mit der anderthalb Meter im Durchmesser großen Trennscheibe. Hat ihm die Elektroden gezeigt, die, gespeist von einem haushohen Transformator, mit einem gewaltigen Lichtbogen das Eisen zum Schmelzen brachten. Überall hat es gerochen nach Zunder und Schwefel. Stücke der Schlacke wurden durch die Luft geschleudert und rieselten heiß auf den Norbert runter. Sind in seinen Kragen gefallen und haben die auf der Kinderhaut gewachsenen feinen Härchen verbrannt. Haben die Wirklichkeit und die Gegenwart des Norbert zersetzt auf eine ihm bislang unbekannte Art, die in den Norbert wie eine große Verliebtheit hineingefahren ist. Als einzig zu konservierende Liebe in dem momentanen Leben des Norbert. Die als so bezeichnete Schwerindustrie, die im Grunde für den Menschen die aufreibendste und schädlichste Umwelt ist, hat ihn mit Zuversicht und Vorfreude erfüllt. »Die Maschine ist unsterblich und der Mensch stirbt aus, Kreisky. Wie ich zum ersten Mal im Stahlwerk war, hab ich es gewusst. Bin ich infiziert gewesen von der Technik und den Prozessen, die alle logisch gewesen sind, wo auf dem Leitenbauerhof alles unlogisch gewesen ist für mich. Von dem Moment an habe ich gewusst, dass ich weg muss vom Leitenbauerhof. Weg von den Leitenbauerischen. Weg von den Wäldern, Bergen und Wiesen und den Kühen, die darauf herumgestanden sind und vor denen mir gegraust hat schon, wirklich wahr. Wie mich der Hermann mit der Draisine durch das Stahlwerk geführt hat, hab ich es gewusst. Nur weg von dort. Wie soll man das denn aushalten ein Leben lang? Gar nicht ist es zum Aushalten, Kreisky, sag ich zu ihm. Ist es nicht so? Natürlich ist es so! Wirklich wahr«, sagt der Herr Norbert.
    Als der Norbert am späten Nachmittag am Leitenbauerhof ankam, war der Leitenbauer schon wieder weg. Hat sich sein Ausgehgewand angezogen gehabt, was das Vereinstrachtenkostüm des Kameradschaftsbunds war. Mit dem Spruch: Heute trinke ich über den Durst hinaus weiter, ging er runter ins Dorf, wo bei dem Zeltfest die vom Leitenbauer verehrten Mürztaler Lausbuben aufspielten. Von den Mürztaler Lausbuben war der Leitenbauer ein großer Fan. In der Stube hing sogar eine Fanpostkarte der Mürztaler Lausbuben. Auf diese Fanpostkarte waren einmal alle Autogramme von ihnen unleserlich hingekritzelt worden, bei einer Autogrammstunde der Mürztaler Lausbuben, die natürlich in Wirklichkeit keine Lausbuben, sondern sowohl ausgewachsene als auch ausgefressene Männer waren. Die Musiker dieser steirischen Trachtenkapelle schauten alle aus wie der Leitenbauer selbst, mit dem Unterschied, dass sie eine Trompete, eine Gitarre, eine Klarinette, eine Tuba, eine Querflöte, eine Posaune, eine Ziehharmonika, ein elektronisches Klavier und ein Mikrofon in ihren Händen hielten. Mit diesen Instrumenten spielten sie die vom Leitenbauer am meisten geliebte Musik, nämlich die volkstümliche. Die volkstümliche Musik war deshalb auch den ganzen Tag in der Stube zu hören. »Auf der Autogrammkarte hab ich mir die Fressen der Mürztaler Lausbuben täglich anschauen müssen. Diese eingefrorenen, unnatürlich in die Kamera schauenden Fressen. Die Kombination der Fressen mit der Musik aus dem Radio und der Fresse vom Leitenbauer hat mich dazu getrieben, die volkstümliche Musik und die

Weitere Kostenlose Bücher