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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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Mutter immer gesagt.
    Am Abend waren der Norbert und seine Mutter in ihrem Zimmer. Während sich im Dorf die Pichlberger und Brandtaler gegeneinander, aber auch untereinander körperlich mit der größten Freude schwer verletzten und der Leitenbauer sich im Schlauchraum des Pichlberger Feuerwehrdepots vor den Gendarmen versteckte, saß die Mutter vom Norbert auf ihrem Stockerl an dem kleinen Tisch und häkelte. Die meiste Zeit sah der Norbert die Mutter, wenn sie nicht gerade arbeitete für die Leitenbauerischen, auf diesem Stockerl sitzen und häkeln oder stricken. Diese Arbeit übte sie leidenschaftlich aus, weil sie angeblich beruhigend auf sie wirkte. Dabei summte sie immer eine Melodie. Für den Norbert Socken, Stutzen, Hauben und Pullover strickend und häkelnd, hatte sie immer diese Melodie auf den Lippen. Diese Melodie beruhigte auch den Norbert immer, der diese Melodie liebte, die ihm nie aus dem Kopf ging, auch die ganzen späteren Jahre nicht, als er zum Beispiel im Arnautovič Kinderheim der Stadt Wien in seinem Stockbett lag und in seinen Gedanken das Summen dieser Melodie durch seine Mutter hörte. All diese Jahre wusste er nicht, von wem diese Melodie ist. Jahrelang hatte er diese Melodie lediglich als von seiner Mutter gesummt im Kopf und wusste nie, wie diese Melodie tatsächlich klänge, wenn sie zum Beispiel von einem Orchester gespielt würde. Dem Summen seiner Mutter also zuhörend, ist der Norbert in seinem Bett gelegen und hat in seinem Lieblingsbuch gelesen. Dieses Buch war Die Schatzinsel von Stevenson, das er von der Mutter einmal zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. In diesem Buch hat er gelesen und der summenden Mutter und dem knisternden eisernen Kanonenofen zugehört. So war es dem Norbert möglich, in eine andere Welt abzutauchen, wie man so schön sagt. In dieser anderen Welt war der Norbert mit Jim Hawkins, wie der junge Held des Buches heißt, auf der Hispaniola unterwegs zur Schatzinsel. Die Leitenbauerkeusche war die Kajüte auf der Hispaniola, in der er sich verkrochen hat, begleitet von dem Summen der Mutter, die der Melodie und des Häkelns nicht überdrüssig wurde. Während es im Bierzelt Augenkannen und Faustschläge hagelte, segelte der Norbert in seinem Hirn auf hoher See einem aufregenden Abenteuer entgegen. Dieses Abenteuer ist ihm, obwohl schon mehrere Dutzend Mal gelesen und somit auch erlebt in seiner Fantasie, niemals langweilig geworden. So schauten zum Beispiel das Schiff, die Insel, die Matrosen und die Schurken jedes Mal anders aus. Erzählten sich immer andere, neue, dem Norbert unbekannte Geschichten. Irgendwann ist er dann über dem Buch eingeschlafen und direkt in einen Traum hinübergeglitten. In diesem Traum war der Riese Hermann der Kapitän, aus dessen Pranken glühende Eisenstriemen herausschnellten, mit denen er die in Ketten liegenden männlichen Leitenbauerischen auspeitschte, die noch lebende Katzen als Schuhe trugen, die unter der Last schrecklich schrien. Das Schiff schaukelte in einem Meer toter Tiere zu der von der Mutter gesummten Melodie hin und her, während der Norbert hoch oben am Großmast Land in Sicht brüllte. Mit dem Feldstecher, wie ihn die Jäger benutzen, hielt der Norbert sich verkrampft am Mast fest und suchte das entdeckte Land ab. Dort konnte er zu seiner Überraschung den zum Negerkönig gekrönten Pfarrer Probodnig erkennen, der auf einem knöchernen Thron saß, den in Steireranzügen steckende Neger auf ihren Schultern trugen, und die nach den vom Pfarrer Probodnig auf den Boden geworfenen Oblaten gierten, sie aber nicht erreichten, weil sie wie Schneeflocken sofort geschmolzen waren. Zwischendurch wurde er munter, immer dann, wenn die Mutter mit dem Summen aufhörte. Mit dem plötzlichen Verstummen der Melodie versiegte auch der Traumfluss und es schleuderte den Norbert zurück nach Pichlberg auf den Leitenbauerhof in die Keusche und in sein Bett. An diesem Abend ist der Norbert erneut durch das Verstummen der Melodie geweckt worden. Sich zwischen der Welt in seinem Hirn und der Wirklichkeit befindend, hat er in das Gesicht seiner Mutter geschaut, die dann ganz nah mit ihrem Mund an sein Ohr herangekommen ist. Gut hat er das Nachtmahl riechen können, das aus einem Schmalzbrot und einem Glas Buttermilch bestanden hatte. MAUS, MAUS, SUCHT EIN HAUS, WO WIRD SIE NUR RASTEN ?, hat sie ihm ins Ohr geflüstert und vorsichtig aus dem Bett gehoben, um ihn nicht ganz aus dem Schlaf zu reißen. Hat ihn zum Kasten hinübergetragen,

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