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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Picus-Verlag
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der eine große untere Lade gehabt hat. In die geöffnete Lade hat sie den Norbert reingelegt. Diese Lade ist dem Norbert als Kleinkind der liebste Schlafplatz gewesen. In dieser Lade liegend hat er das Krabbeln der Mäuse hören können, die ebenfalls in diesem alten, wurmstichigen Kasten gewohnt haben, das ihn ruhig hat einschlafen lassen. Jetzt ist er schon etwas zu groß für die Lade gewesen und er hat seinen Rücken krümmen und Arme und Beine abwinkeln müssen, um überhaupt Platz zu finden. Die Lade hat die Mutter zurück in den Kasten geschoben und einen kleinen Spalt offen gelassen, für die Luft und gegen die Angst. Dann hat sie sich zurück auf ihr Bett gesetzt, die Hände in den Schoß gelegt und gewartet. Das Summen und das Häkeln hatten aufgehört. Der Norbert ist bereits aus seinem Traum erwacht gewesen, die letzten Fetzen sind verflogen gewesen und fast im gleichen Moment, in dem er über ihn nachgedacht hat, vergessen worden. »Ist es nicht die Hauptaufgabe unseres Gehirns, die Sachen, die wir so erleben, zu vergessen? Erst durch das Vergessen ist es uns möglich, weiterzuleben, oder? Die Erinnerung ist die Mülldeponie unseres Gehirns, wohin der Sondermüll abgeschoben wird, der nicht verrottet und dort lagert und uns das Leben schwer macht, wirklich wahr, Kreisky, sag ich zu ihm.« Das Herz des Norbert hat jetzt wieder angefangen schneller zu schlagen. Sobald er den Schlaf verlassen hat, die Aufmerksamkeit vom Inneren auf das Äußere gelenkt worden ist, hat das Herz angefangen schneller zu schlagen. Abwechselnd hat er in der gekrümmten Kniebeuge, der abgewinkelten Armbeuge und den Schläfen seinen Puls spüren können. Wie ein Schlagzeug hat er den Puls spüren können, der immer schneller geworden ist durch die Eingepferchtheit in der unteren Lade des Mauskastens. Hatten ihn die Geräusche der Mäuse als Kind beruhigt, war jetzt das Gegenteil der Fall. Obwohl er keine Geräusche gehört hat, ist ihm alleine der Gedanke, in einem Kasten voller Mäuse zu sein, widerlich gewesen. Es konnten auch tatsächlich gar keine Geräusche zu hören sein, weil der Norbert wusste, dass der Leitenbauer längst alle Mäuse hatte umbringen lassen seinerzeit, mit der chemischen Keule quasi, dass dem Norbert und seiner Mutter noch wochenlang danach die Hälse brannten. Der Norbert hat sehen können, wie sich die Mutter immer wieder die Falten der Schürze glatt gestrichen und sich abwechselnd mit der linken und der rechten Hand das Haar nach hinten gelegt hat, um es gleich darauf wieder zu bürsten und wieder zurückzulegen et cetera. Ihre Wangen sind rosa gewesen und ihr Blick ist durch den Raum geeilt und an der Tür hängen geblieben, die sich jetzt so langsam öffnete, dass der Norbert darauf hat starren müssen, um es überhaupt zu bemerken. Dieses Öffnen ist ihm so lange vorgekommen, dass er beinahe wieder eingeschlafen wäre. Dann ist eine Gestalt eingetreten und erst im schwachen Licht der Lampe ist die Gestalt als Leitenbauer erkennbar geworden. War die Gestalt optisch eindeutig der Leitenbauer, so hat er es trotzdem unmöglich sein können. Der viereckige Oberkörper, die kurzen dicken Beine, der Quadratschädel: alles eindeutig Leitenbauer. Und doch hat er anders ausgeschaut, ist er für den Norbert ein Fremder gewesen. »So wie die Toten mit ihrem Aussehen als Lebende nicht mehr das Geringste zu tun haben, das kennst du doch, Kreisky, oder? Ihr totes Gesicht ganz anders ist auf einmal. Sie von einer Sekunde zur nächsten das Aussehen verändern, obwohl es der gleiche Körper, das gleiche Gesicht ist, das du anschaust, wirklich wahr.« Der Leitenbauer hat ganz langsam seinen Hut abgenommen, wo er sich sonst immer den Hut vom Kopf heruntergerissen und in die Ecke auf den Boden geschmissen hat, von wo ihn die Leitenbauerin aufhob und an einer extra für den Hut reservierten Stelle aufhängte, die ein Hirschhornhaken war, ein Krickerl, wie die Bauern dazu sagen. Den Hut erst in der Hand haltend und ihn mit seinen Fingern im Kreis drehend, hat er ihn zögerlich mit einem zu kurzen Schritt nach vorne, dass er seinen Oberkörper unnatürlich hat strecken müssen, auf den kleinen Tisch gelegt, vor dem die Mutter gerade noch, also knapp vor dem Hinunterfallen, auf der Bettkante gesessen ist. Gleich hat er den Oberkörper wieder zurückgezogen und einen Schritt, jetzt aber größer, zurück gemacht. Die Stimme vom Leitenbauer ist nicht zu hören gewesen, so leise hat er gesprochen in dem Moment. Wobei die

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