Wer mit Wem - Entscheide Du!
Freundinâ, erwidere ich kurz. âIch ruf sie später zurück. Was meintest du eben mit irgendwelchen Besorgungen?â
âNa ja, ich bin in der Pension für alles zuständig, was mit Essen zu tun hat, und fürs Wochenende muss ich noch ein paar Einkäufe machenâ, erklärt Flo. âDas Einfachste wäre, wenn ich das auf der Fahrt zur Pension erledigen könnte, aber wenn du zu k.  o. bist, fahre ich dich auch gern erst zu deiner Tante. Ist überhaupt kein Problem.â
Ich überlege. Flo ist nett. Und er sieht gut aus. Zwar nicht so umwerfend verwegen wie Jonas, aber er hat so ein süÃes Lächeln und unglaublich strahlend blaue Augen. Wer weiÃ, wen ich auÃer meiner missmutigen Cousine an diesem Wochenende noch so treffe, der in meinem Alter ist. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sich so viel Jungvolk in Tante Hedwigs Pension verirrt. Und wenn ich schon mal hier bin, sollte ich zumindest versuchen, das Beste daraus zu machen und mich ein bisschen zu amüsieren. Warum also kein kleiner Abstecher mit Flo, um ihn noch etwas näher kennenzulernen? Vielleicht hat er ja auch mal frei und wir können etwas zusammen unternehmen.
Andererseits bin ich doch etwas beunruhigt wegen Miriams Anruf. Seit ihre letzte Handyrechnung bei über 145  Euro lag, weil sie stundenlang in irgendeinem Fremdnetz mit Tom herumgeflirtet hat, haben ihre Eltern ihr das Monatsguthaben auf 20  Euro beschränkt. Alles, was darüberliegt, muss sie von ihrem Taschengeld bezahlen. Deshalb hatten wir ausgemacht, dass sie sich nur in absoluten Notfällen meldet. Und wenn nun tatsächlich so ein Notfall eingetreten ist? Vielleicht sollte ich möglichst schnell auf mein Zimmer, um sie in Ruhe zurückzurufen.
Was meint ihr?
Soll ich â¦
zusammen mit Flo einen Einkaufsabstecher machen, um ihn besser kennenzulernen,
oder
mich lieber schleunigst in die Pension bringen lassen, um Miriam in aller Ruhe zurückzurufen?
Ja, ich bin voll und ganz eurer Meinung. Endlich mal ein wenig Freiheit erlangt, sollte ich sie mir nicht gleich wieder nehmen lassen. Ich habe ja nur meinen Trekkingrucksack dabei, den ich mir jetzt aufschnalle, und eine Handtasche.
AuÃerdem trage ich meine neuen bequemen Turnschuhe, mit denen ich wahrscheinlich einen Marathon laufen könnte, zumindest aber das kurze Stück zu Tante Hedwigs Pension.
Als ich die kleine Bahnhofshalle verlasse, erspähe ich eine Holztafel mit einer Wanderkarte von Neuenbach und Umgebung. Willkommen in Neuenbach!, steht in groÃer Schnörkelschrift ganz oben und etwas kleiner darunter:
Ein jeder, der hier angekommen, wird sogleich herzlichst aufgenommen!
âNa dannâ, murmele ich und suche nach einem Weg, der von dem roten Pfeil, der meinen Standort kennzeichnet, nach Oberneuenbach führt. Bitte, ist doch nur ein Katzensprung, gerade mal ein groÃer, gerader Weg, der irgendwann eine scharfe Rechtskurve macht. Der darf ich aber nicht folgen, sondern ich muss dann nach links auf einen schmaleren Pfad und schon bin ich da. So viele Pensionen wird es in dem Kaff sicher nicht geben und wenn doch, kann ich mich durchfragen oder immer noch Tante Hedwig anrufen.
Sehr zufrieden mit mir und meinem Plan mache ich mich also auf. Es ist wirklich herrlich und nach nur ein paar Schritten bin ich mitten in der Natur. Hier zu leben, wäre nichts für mich â viel zu viel Grün und viel zu wenig Menschen und gar keine Geschäfte. Aber für einen schönen Spaziergang und zum Seelebaumelnlassen genau richtig.
Ich laufe und laufe und in der Nachmittagssonne, die immer noch vom wolkenlosen Himmel auf mich herabscheint, wird mir allmählich ganz schön warm. Nach einer guten halben Stunde fangen meine neuen Turnschuhe an zu drücken und mein T-Shirt klebt unter dem Rucksack schon schweiÃnass an meiner Haut. Ich verfluche mich selbst, weil ich den VHS-Kurs Bauch, Beine, Po â Fit in die Bikinisaison schon nach der dritten Stunde abgebrochen habe. Ich bekam jedes Mal eine Gänsehaut, wenn die hagere Trainerin, die uns rumgescheucht und angebrüllt hat wie ein Feldwebel, mit ihren dünnen Spinnenfingern in meinen Bauch gepikst hat, um den Zustand (âverheeeeerrrrrend!!!â) meiner Muskulatur zu überprüfen. Sie war aber auch zweifellos eine Fehlbesetzung für den Kurs, denn in einem Bikini kann ich mir diese Person, die aussah wie eine ausgehungerte
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