Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
Gedicht von Erich Fried lesen würde.
»Wir müssen zurück ins Tal«, erläuterte ich.
Das Tal war eng, scharf eingeschnitten, eine Falte zwischen den Bergen. Die Bäume wuchsen dicht an dicht, sie warfen dunkelgrüne Schatten auf die StraÃe. Fiona hatte Muffensausen. Damals schob ich es auf die Motorradfahrer, die in Pulks die BundesstraÃe entlangschossen, sich in den Kurven weit in die Waagerechte lehnten. Einen rammte ich beinahe. Die Nachotüte rutschte vom Armaturenbrett. Wären all die Nachos doch nur zerbröselt!
Ich bog ab, ratterte über die Brücke mit den wackeligen Holzbohlen.
»Hier ist mal die Crème de la Crème der Literatur zusammengekommen«, erklärte ich. »Der bundesrepublikanischen.« Das war weit über 40 Jahre her. Fiona war wahrscheinlich gerade mal Anfang 20.
Wir beschlossen, etwas zu essen. Die Tische im Garten des Gasthofes standen eng. Tauben stelzten zwischen den Beinen der Gäste durch und nervten mit ihrem Gepicke. Die Kellnerinnen hatten alle Hände voll zu tun. Wir warteten eine Stunde lang vergeblich auf den kalten Braten mit Gurke, bezahlten die Apfelschorle und gingen hungrig wieder weg.
Hinter der Brücke an der StraÃe hielt ein Motorrad. Der Typ in weiÃer Ledermontur musste unter seinem Helm mit dem schwarzen Visier längst verschmort sein.
Er nahm die Verfolgung auf.
Ich hätte es merken können. Bloà weil ich mit meiner eigenen Wirrnis zu beschäftigt war, fiel es mir nicht auf. Wem passierte so was schon, von einem Motorrad verfolgt zu werden! Das geschah in Actionfilmen, im Privatfernsehen sowieso serienmäÃig, aber nicht in der Wirklichkeit. Jedenfalls nicht in meiner Wirklichkeit, die sich aus gepackten Taschen, bereitgelegten Reisedokumenten und Abschiedsschmerz zusammensetzte.
Kurz darauf sah Fiona im Seitenspiegel das Motorrad und wurde weià im Gesicht.
»Wer ist das? Hallo? Fiona? Der Knilch auf dem Bike?«
Sie reagierte nicht.
Der Knabe war vermutlich ein beleidigter Ex.
*
Ich fuhr nach GöÃweinstein. Wer von einem Motorrad verfolgt wird, das ein Knabe in weiÃem Leder reitet, braucht göttliche Hilfe. Wieder prügelte ich den Kadett einen steilen Berg hinauf, im zweiten Gang, musste in den ersten schalten, als wir eine schwitzende Wandergruppe überholten. Der Motor röhrte. Das Motorrad folgte uns mit zarten Schwüngen. Meine alte Kiste würde diese mit allen Schikanen ausgestattete Maschine nie abhängen können. Zu einer List war ich nicht fähig. Nicht in der Hitze, nicht mit dem Schmerz in jedem meiner Atemzüge. Ich will nicht fort. Ich will nicht fort.
AuÃerdem, was hatte ich schon mit Fionas Männergeschichten zu tun.
»Ist er dein Ex?«
Sie antwortete nicht. Stattdessen zog sie den Rucksack auf ihren SchoÃ.
Ich war blöd genug, ihr Schweigen für britische Borniertheit zu halten.
Die Basilika 21  lag mitten im Ort, umtost von Wallfahrern und Touristen. Ein guter Platz, um nicht von einem Verrückten in Motorradkluft fertiggemacht zu werden. Ich fuhr bis ans Ende des Dorfes, quetschte mich in eine Lücke auf dem GroÃparkplatz. Dicke Reisebusse standen dicht an dicht. Fiona machte keine Anstalten, auszusteigen. Aber ich musste in die Basilika! Noch einmal das Gnadenbild sehen. Eine Kerze anzünden.
Denken Sie nicht, ich wäre religiös. Aber Barock ist auch so eine Sache, die es in Kanada nicht gibt. Nicht so wie hier. Eine Jugendgruppe kam fahnenschwenkend den Berg herauf. Sie sangen Taizélieder, so frisch, trotz der Hitze, trotz der Steigung, trotz der sichtbar sonnenverbrannten Gesichter: Misere mihi, Domine. Erbarme dich meiner, Herr.
Das Motorrad konnte ich nicht mehr ausmachen. War alles nur eine Täuschung. Hatte ich mir doch gedacht. Wer glaubte denn an Verfolgungsjagden!
Fiona trabte neben mir her, den Rucksack auf dem Rücken. Wir boxten uns durch die Wallfahrergruppen und betraten die Basilika. Wie angenehm kühl es hier war! Alles golden und weiÃ, voller Engel, Apostel, Altäre. Blakende Kerzen und Weihrauch.
*
Dann ging es den Bach runter. Eigentlich zuerst den Berg. Wir fuhren nach Süden. Ich wollte ins Trubachtal 22 . Mein Lieblingstal. Alles Malerische der Fränkischen Schweiz ist hier in Potenz zu finden. Skurrile Felsenfiguren. Die sprudelnde Trubach. Kleegrüne Wiesen. Romantisch. Wild. Idyllisch. Es war einfach eine Laune des Schicksals, dass
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