Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

durch das Porzellanikon  33 . Der Komplex war riesig, bestand aus sechs Gebäuden, wenn Charly richtig gezählt hatte. Sie schleppten sich treppauf und treppab durch die alten Industriehallen, an einer massigen Dampfmaschine vorbei, an Filmen, Schautafeln, Porzellan in allen Stadien der Herstellung. Dirk hatte einen Großteil seiner üblichen Fitness eingebüßt. Er kam mit seinem Kater definitiv schlechter zurecht als Charly.
    Â»Dirk«, sagte Charly, während Eva begeistert einer Vorführung zuschaute; ein Museumsangestellter zeigte, wie aus Rohmasse ein Becher gedreht wurde. »Was ist los?«
    Â»Was soll schon los sein?«
    Â»Was war gestern Abend?«
    Â»Du hast gesoffen wie nicht mehr gescheit.«
    Â»Du aber nicht, oder was!« Charly spürte wieder die Wut, die er seit heute Morgen nur mit Mühe unterdrückte.
    Â»Pass mal auf: Wenn es um Eva geht, dann lass uns wie normale Menschen damit umgehen, klar?«
    Â»Normale Menschen?« Perplex starrte Charly seinen Kumpel an. »Gehe ich wie ein unnormaler Mensch damit um?«
    Â»Findest du das cool, dich mit diesen Dealern anzulegen?«
    Â»Wovon redest du?«
    Dirk senkte die Stimme, während der Museumsmann sich dem Gießen einer Zuckerdose zuwandte.
    Â»Meinst du, das imponiert Eva, wenn du den King spielst, dabei aber völlig unterlegen bist?«
    Â»Du hast ja einen Schuss.«
    Â»Vielleicht erinnerst du dich einfach nicht mehr dran.«
    Charlys Hände zuckten. Er schob sie schnell in die Hosentaschen. Hatte er tatsächlich angefangen, auf einen von den Vögeln einzuschlagen? Mehr als unwahrscheinlich.
    Â»Einer von denen, ein Glatzkopf, kam kurz in den Biergarten und quatschte drei Takte mit den Leuten am Nebentisch. Okay, er guckte Eva länger als eine halbe Sekunde an. Ist das ein Grund, gleich an die Decke zu gehen?«
    Â»An die Decke zu gehen?«
    Â»Der hätte nur einmal seine Pranke heben müssen – du wärst für immer im Off geblieben, mein Lieber.«
    Charly zermarterte seinen Kopf. Da kam nichts. »Ich kann mich absolut an nichts erinnern. Ob du es glaubst oder nicht.« Er tastete mit der Hand vorsichtig über das Hämatom.
    Â»Tut mir leid«, murmelte Dirk.
    Â»Du?« Charly glotzte ihn an. »Du hast mir eine gesemmelt?« Er packte Dirk am Shirt.
    Â»He, lass das!«
    Charly ließ los. Seine Augen funkelten. Er würde Dirk jeden einzelnen Knochen brechen. Irgendwann würde sich schon eine Gelegenheit bieten.
    Â»Du warst anders ja nicht mehr zu bändigen. Hast krakeelt und den Beschützer der unschuldigen Eva gespielt.«
    Â»Deswegen hast du mir die Faust …?« Charly konnte es immer noch nicht fassen. »Hoffentlich hast du dir alle Knöchel verstaucht dabei!« Plötzlich fiel all seine Wut in sich zusammen. Wenn das stimmte, dann hatte er sich nicht nur vor Dirk, sondern auch vor Eva zum Affen gemacht. Was hatte sie heute Vormittag gesagt? Sie bräuchte keinen Freund, der sich ihretwegen prügelte? Wenn er es recht bedachte, klang das sogar ziemlich positiv. Vor allem das Wort ›Freund‹. Es bedeutete, dass er in der engeren Wahl war. Und nicht Dirk.
    Dirk und sein zorniges Gesicht. Vielleicht war darin mehr Angst als Zorn gestanden …
    Â»Einer von den Tätowierten hat dich beim Rausgehen gestreift. Nicht absichtlich, war halt viel los im Biergarten. Daraufhin bist du hochgegangen wie eine Artilleriegranate und den Typen hinterhergeflitzt. Hast getobt wie Popeye. Immer noch kein Flashback?«
    Â»Warte. Doch. Die hatten Kartons in ihrem Auto.«
    Â»Kartons?«
    Â»Ich glaube schon. Hast du das nicht mitgekriegt?«
    Dirk runzelte die Stirn, als löse er eine Gleichung, die ausschließlich aus Unbekannten bestand. »Ich hatte genug damit zu tun, Evas Cousine zu beruhigen. Die finden das nämlich nicht cool, wenn die Gäste sich vermöbeln.«

    *

    Ich goss mir ein Glas Rotling ein. Seit dem Mord hatte ich nichts mehr getrunken. Allein der Gedanke an Alkohol schien mir abstoßend. Als verweigerte ich mich jedem Genuss, jeder Entspannung.
    Der Wein funkelte zartrot im Glas. Drei junge Leben. Für Waldschmid war unser Hinweis nur ein weiterer Arbeitsauftrag gewesen. Für mich bedeutete er Hoffnung, Licht in diese Geschichte zu bringen. Einer meiner Schüler der Mörder von zwei anderen – das durfte nicht sein.
    Sabina rief an. Ganz