Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
junge Frau, auf deren Gesicht ein Sonnenbrand leuchtete.
»Wir klettern gar nicht«, erwiderte Eva.
»Ach so. Na, okay. Wer jetzt noch drauÃen ist, sollte lieber abbrechen. Es gibt bald ein Gewitter.« Damit wandte sie sich ihrem Freund zu, der Seile, Klettergeschirre und Beutel mit Equipment im Wagen verstaute.
»Das Paradiestal 35  ist ein richtiges Klettereldorado.« Eva schulterte ihren Rucksack, während sie die Wegmarkierungen studierte. »Felsen über Felsen, in den verrücktesten Formationen. Umso besser, wenn die Sportler jetzt alle abbrechen. Dann haben wir unsere Ruhe.«
Charly deutete auf den blauen Kreis auf weiÃem Grund. »Ist das unser Weg?«
»Genau. Mitten rein ins Paradiestal. Seid ihr soweit?«
Dirk trug das Zelt. Charly taten nach wenigen Schritten die FüÃe weh. Seine Chucks waren zu einem feuchtheiÃen Dampfbad geworden. Er biss die Zähne zusammen und folgte Eva und Dirk, die sich wie gewohnt an die Spitze setzten und im Eiltempo über die Wiese liefen. Schon bald kamen die ersten Felsen in Sicht: bizarre Gesteinsgebilde, löchrig, grau, bewachsen. An den ersten Felsen am Taleingang hingen noch die letzten Kletterer. Die meisten waren dabei, sich abzuseilen.
Der Weg führte in sanften Biegungen durch das Tal. Mal am rechten, mal am linken Waldrand. Die Wasserläufe, die sie überqueren mussten, waren fast ausgetrocknet. Mitleidig betrachtete Charly die selbst gebauten Brücken. Mit einem ganz normalen Schritt konnte er über die Bäche steigen, ohne seinen Laufrhythmus zu ändern. Er war ganz dankbar für die Wolken und die Aussicht auf ein bisschen Regen. Wenn sie das Zelt irgendwo im Wald aufschlagen würden, gäbe es keine Probleme. Das Zelt war erste Sahne. Es gehörte ja zu Dirks Ausrüstung. Charly schnaubte. Eva und Dirk waren weit voraus. Das Atmen fiel Charly mit einem Mal schwer. Diese Schwüle!
Vorhin, beim Eisessen, da war alles ganz leicht gewesen. Kein Streit mehr, keine düsteren Verdächtigungen. Aber jetzt lief wieder Dirk mit Eva. Was wollte sie mit einem Freund, der nicht hinterherkam. Charly warf seinen Seesack über die andere Schulter. Eigentlich hatte er genug von ihrer Landpartie. Das war kein Urlaub für ihn. Zu stressig, zu viel Natur. Er zog sein Handy hervor. No service available.
Wie weit wollten die beiden eigentlich noch laufen? Konnten sie nicht einen der Seitenwege aus dem Tal raus nehmen und schauen, ob sie dort einen lauschigen Platz zum Zelten fanden? Charly blieb an einer Wurzel hängen und stolperte. Der Seesack rutschte von seiner Schulter. Er rappelte sich auf.
Die ganzen Kletterfreaks konnte er gar nicht verstehen. Ob die in ihren Autos auf dem Wanderparkplatz übernachteten? Was war nur so toll daran, von morgens bis abends an einem Felsen zu baumeln? Konnten die nicht einfach auf der Wiese liegen und ein Buch lesen? Oder twittern, so wie Eva? Damit war es allerdings eine Weile vorbei, das Tal, der Wald, die Felsen ⦠Stadtgeschädigte konnten hier ganz in Ruhe wandern gehen.
Donner grollte. Er sah zu, dass er weiterkam. Immerhin mussten sie das Zelt noch aufbauen. Plötzlich legten sich tiefe Schatten über das Tal, und die Felsen schienen näherzutreten, als wollten sie dem Wanderer den Weg versperren. Quatsch! Charly schalt sich einen Fantasten. Eva und Dirk blieben stehen, sahen zu ihm zurück. Dirks zornrotes Gesicht ⦠Charly wischte sich über die Augen. Der Wagen und die vielen Kartons im Kofferraum. Er fuhr ruckartig herum, sah den Weg zurück, den sie gekommen waren. Tatsächlich wurde das Tal immer enger. Die letzten Kletterer hatten das Weite gesucht. Sie waren allein hier. Eva, Dirk und Charly.
*
Ich las zum x-ten Mal Evas letzten Tweet:
Gewitter im Anmarsch, aber im Paradies scheint immer die Sonne.
Ich sah sie vor mir, in einem Sommerkleid, einen Rucksack auf dem Rücken, Lachen im Gesicht. Eva, der nie etwas zu viel war. Ein sonniges Mädchen war sie gewesen, von der fünften Klasse an.
Waldschmid rief an. »Die schweren Jungs haben ein Alibi. Da ist nichts zu rütteln. Die kommen nicht infrage.«
Ich schwieg, fragte dann, was genau für ein Alibi sie hätten. Mein Herz hämmerte so brutal, ich musste reden, sonst hätte ich begonnen, zu hyperventilieren. Ich stand in meinem leeren Wohnzimmer und sah hinaus in den Regen, während Waldschmid geduldig Antwort gab.
»Das ist
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