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Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Titel: Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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standen säuberlich in Reih und Glied.
    Ich nahm Platz. »Frau Schandau …«
    Â»Ich kenne Sie. Sie waren mal hier. Haben jemanden interviewt, oder?«
    Â»Nein, ich glaube nicht.«
    Â»Aber Sie sind von der Zeitung.«
    Â»Ich – genau.« Sie brachte mich völlig aus dem Konzept. »Frau Schandau, ich schreibe eine Sommerserie, ›Gesichter der Rhön‹ heißt sie, und da …«
    Â»â€¦ müssen Sie wegen dem Proporz auch eine Alte dabeihaben?« Sidonie Schandau lachte. »Ich lese ziemlich ausführlich Zeitung. Die Augen machen ja noch mit. Hier«, sie wies auf einen Stapel alter Ausgaben neben ihrem Bett, »habe ich etwas über besoffene Kreuzbergwallfahrer gelesen.«
    Ich musste lachen. »So habe ich das aber nicht geschrieben.«
    Â»Nicht wörtlich. Nein.« Sidonie Schandau kniff die Augen zusammen. »Was wollen Sie von mir wissen? Was Bestimmtes?«
    Â»Ich …«
    Â»Mein Alltag ist ziemlich langweilig. Ich komme kaum noch raus. Einmal die Woche haben wir Frauen hier, die melden sich freiwillig, um uns Senioren im Rollstuhl in die Welt hinaus zu schieben. Das ist auch langweilig. Sie meinen’s ja gut, aber außer, dass ich ein paar Passanten und steinalte Kurgäste sehe, habe ich nichts von den Ausflügen.« Sie legte den Kopf schief. »Gehen Sie mit mir ins Bellevue  62 ?«
    Â»Also …«
    Â»Ich mochte es immer sehr. Es hat so was Mondänes, verstehen Sie? Früher, da kurten hier ja noch richtig kultivierte Leute. Mittlerweile mag man gar nicht mehr über die schlecht gekleideten Grauhaarigen nachdenken, die in Horden einfallen, auf niemanden Rücksicht nehmen und sich betragen, als hätten sie all die schönen Kurbauten und sogar die Residenz aus eigener Tasche bezahlt.«
    Â»Okay, gehen wir ins Bellevue.«
    Sidonie lächelte. »Sie glauben aber nicht, dass ich so gehe.« Sie fuhr sich mit den kleinen, knubbeligen Händen über den Oberkörper.
    Ich dachte mir nichts weiter. Sie hatte ein dunkelblaues Sweatshirt an, darunter ein weißes Polo. Außerdem eine Jogginghose und Schuhe mit Klettverschlüssen.
    Â»Klingeln Sie nach der Schwester. Ins Bellevue geht man nicht so .« Die Art, wie sie das letzte Wort betonte, ließ Verachtung ahnen.
    Ich verließ das Zimmer und bat eine Schwester, nach Frau Schandau zu sehen. Während ich wartete, sauste die Heimleiterin auf dem Flur an mir vorbei. »Na, sind Sie schon bei Frau Schandau gewesen?«
    Â»Ich soll sie ins Bellevue begleiten.«
    Â»Ja, das mag sie. Eine Erinnerung an ein Leben, das sie nie hatte. Viel Spaß.« Schon flitzte sie um die nächste Ecke.
    Ein Leben, das sie nie hatte? Ich unterdrückte ein Gähnen. Ich trug Jeans, Sandalen, eine bunte Tunika und einen weißen Schal. War ich mondän genug für einen Ausflug in die alte Welt? Sogar Lola Montez soll Bad Brückenau besucht haben, um hier ihren Geliebten, den Bayernkönig Ludwig I., zu treffen. Dabei interessierten mich weder adelige Eskapaden von früher noch die Vergnügungen der heutigen Kurgäste. Ich wollte eine Story, 3000 Zeichen sollten genügen, und dazu brauchte ich ein paar originalgetreue Erinnerungen einer Zeitzeugin.

    *
    Das Schwarze Moor  63 ! Lothar atmete ein paarmal tief durch. Er war viel zu schnell hier hinaufgestiegen, hatte sich treiben lassen von einem eigentümlichen Unwohlsein. Aber dieser Ort bedeutete ihm so viel. Die Birken, deren erste Blätter sich schon gelb färbten, die Weiden, die sich im ewigen Wind der Rhön schüttelten … Frieden. Und nicht weit von hier hatte es einst eine Aufgabe für ihn gegeben. Nicht so eine Aufgabe wie jetzt! In seinem jetzigen Leben saß er nur seine Zeit ab, schaufelte Papier von einer Seite auf die andere, aber er war Beamter, und er würde eines Tages eine anständige Pension bekommen. Er war erst 48, es würde schon noch eine Weile dauern, bis er rauskam aus der Verwaltung.
    Es war still hier im Moor. Lothar spürte, wie der Frieden der Natur allmählich auf ihn überging. Sein Atem beruhigte sich. Er lockerte seine Schultern, ehe er weiterging. Und schnell wieder innehielt.
    Eine Schulklasse kam durch den Wald. Schlagartig kehrte die mühevoll niedergerungene Missstimmung zurück. Mussten sie die Blagen denn unbedingt an einem ganz normalen Wochentag hier heraufführen? An einem Tag, an dem Lothar

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