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Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Titel: Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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in der Bischofsheimer Verwaltung angeboten. Er dachte, es sei gut für Sidonie, so eine Veränderung. Weil sie allmählich verwelkte. Er liebte sie nicht. Er hatte sie nie geliebt, aber er fühlte eine gewisse Verantwortung. Außerdem gefiel ihm Bischofsheim, weil es direkt am Fuß des Kreuzberges lag und näher an der Hohen Rhön  66 . Er mochte die herben, baumlosen Flächen einfach, ebenso die etwas tiefer gelegenen dichten Laubwälder, und er hatte es sich zum Hobby gemacht, Tiere zu beobachten. Die Wochenenden verbrachte er draußen. Er ging auch zum Skilaufen. Sidonie bekam von all dem nichts mit. Zu jener Zeit redete man nicht offen über die Krankheit, an der sie litt, aber sie würde ziemlich bald tödlich enden, davon war er überzeugt. Sidonie lag nur noch im Bett, in einem abgedunkelten Zimmer, sie sprach nicht und aß nur, wenn er sie dazu überredete. Für die Schönheiten ihrer neuen Heimat hatte sie nichts übrig.
    Sie machte ihn fertig. Und deshalb …
    Es ging wieder ganz leicht.

    *

    Â»Eine Zeit lang haben wir in Bischofsheim gewohnt«, erzählte Sidonie. Ihr langer, kräftiger Zeigefinger tippte auf ein Foto. »Ein nettes Städtchen. Aber ich hatte keine gute Zeit dort. Hier, sehen Sie, da stehen Lothar und ich vor dem Zentturm  67 .«
    Â»Und Ihr Kind?« Ich dachte daran, wie sie vorhin darüber geklagt hatte, sie hätte keine Kinder, auf die sie Druck ausüben könnte, damit sie Besuch bekam.
    Sidonie legte die Hand auf das Foto. »Wie gesagt, ich hatte keine gute Zeit dort. Aber wir sind auch nicht lange geblieben. 1970 zogen wir nach Fladungen. Wussten Sie, dass Fladungen die nördlichste Stadt in Franken ist? Das Städtchen klemmte damals noch ganz knapp unter der Grenze zur DDR. Dort oben war nichts. Niemand verirrte sich dorthin. Obwohl die Landschaft berauschend ist.«
    Â»Ich mag die Rhön sehr. Ich stamme zwar nicht von hier, aber …«
    Â»Nein, Mädchen, nein. Die Rhön ist, wie sie ist. Sie ist herb und grausam. Wenn es im Sommer unten im Tal mal kurz regnet, stürmt es auf den Höhen, und der Hagel schlägt Ihnen ein Loch in den Kopf. Denken Sie nicht, die Rhön, das sind die verschnörkelten Bildstöcke, die hübsch umfriedeten Kirchen mit ihren herrschaftlichen Fassaden, die manchmal mehr an eine Burg als an eine Kirche erinnern. Nein, die Rhön, das sind die Höhen, über die der Wind rast, der Bäume entwurzelt und …« Sie brach ab.
    Lange Zeit blieb sie still. Ich hatte das Gefühl, sie war auf dem Weg in eine Vergangenheit, zu der sie die Tür nicht mehr fand.
    Â»Aber wissen Sie«, fuhr sie schließlich fort. »In Fladungen wurde mein Leben gerettet. Ich begann, im Museum mitzuarbeiten. Im Rhönmuseum  68 . Dadurch bekam ich endlich eine Aufgabe.«
    Ich wollte nicht mehr nach ihrem Kind fragen. Das konnte ich einfach nicht. Ich war hier, um über die Nazi-Zeit in der Rhön zu recherchieren. Aber das konnte ich mir anscheinend auch abschminken.
    Â»Der Kaffee ist kalt«, beschwerte sich Sidonie. »Bedienung, ein Kännchen frischen, bitte!«

    *

    Lothar hatte keine Probleme, sich versetzen zu lassen. Es ging nach Fladungen, da war er weit ab vom Schuss. Sidonie fand ihr Leben wieder. Er selbst geriet nie in den Ruch der Verdächtigen. Nur einmal noch brach es aus ihm heraus, als er am späten Abend schwimmen war, am Frickenhäuser See  69 . Manchmal fuhr er mit Sidonie im Sommer dorthin, es war ja kein Weg von Fladungen, und er schwamm gern. Sidonie auch. Das war eigentlich das einzige Vergnügen, das sie miteinander teilten.
    Sie blieben lange sitzen, weil die Nacht ungewöhnlich mild war. Sidonie hatte Brote geschmiert. Sie aßen die Brote und tranken ein Bier dazu. Das Bier war schon warm, aber das machte ihnen beiden nichts aus.
    Da kam ein Vater mit seiner Tochter. Sie spielten am Ufer Ball. Das Mädchen war nackt. Ab und zu flitzte es ins Wasser, bis es bis zu den Knien drinstand, kreischte und spritzte und kam wieder zu seinem Vater gelaufen.
    Da regte sich etwas bei Lothar. Er trug nur diese ganz leichten Baumwollshorts. Sidonie sah ihn an. Sie guckte auf seine Hose und blickte ihm dann in die Augen.
    Er wandte den Blick ab.
    Er war sich sicher, sie hatte in diesem Moment alles verstanden. Doch er würde nicht darüber reden. Er nicht.

    *
    Mein Herz machte Doppelsaltos wegen all dem

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