Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
schleppte sich mit hängenden Schultern den Gehsteig entlang. Stöpselte Earbuds in seine Ohren. Blieb kurz stehen, hackte mit dem Zeigefinger auf dem Touchscreen seines Players herum. Helge blieb ebenfalls stehen. Ludo steckte den Player in die hintere Jeanstasche. Er wandte sich kurz um und sah Helge an.
Helge erwiderte den Blick. Ludo starrte auf die Vio-Flasche in Helges Hand.
Da ist Wasser drin, wollte Helge rufen. Wirklich nur Wasser. Sein Herz klopfte hart gegen sein Brustbein.
Ludo ging jetzt schneller, obwohl er immer noch wie sediert wirkte. Helge eilte ihm nach. Mit einem Mal ergriff ihn eine ungeahnte Müdigkeit, als könne er nicht mithalten, als würde sein Sohn ihn zwangsläufig abhängen. Und er war durstig. Sein Hals schmerzte.
Er ist mein Sohn.
Sie kamen an eine Kreuzung. Ludo blieb unschlüssig stehen. Gegenüber lag ein Wirtshaus. Ludo rannte. Reifen quietschten. Stimmen schimpften los, erhitzt, wütend.
»Junge!«, brüllte Helge. »Junge, was machst du denn!«
Ludo gelangte unversehrt auf die andere StraÃenseite, käseweià im Gesicht. Der Verkehr floss schon wieder. Helge wartete ungeduldig an der Ampel auf Grün, er wollte nicht noch mehr auffallen. Ludo sah sich um, als wüsste er nicht, in welche Richtung er gehen sollte.
Endlich sprang die Ampel um. Helge überquerte die StraÃe im Laufschritt. Die Wasserflasche war ihm hinderlich, er hätte sie gerne weggeworfen, traute sich nicht, plötzlich fühlte sich alles falsch an, was er machte, verboten sogar. Er hatte doch kein Recht, diesem Jungen nachzustellen, selbst wenn er sein Vater war. Der Junge kannte ihn nicht. Helge erschreckte ihn bloà zu Tode. Das machte alles nur noch komplizierter.
Er blieb vor dem Wirtshaus stehen. âºMenü mit Tagessuppe: 5 Euroâ¹ stand auf einer Tafel. Darunter Bluna-Werbung. Helge stellte sich vor, wie er den Jungen zum Mittagessen einlud. Vielleicht würden sie in der Kneipe etwas Vegetarisches für ihn finden.
Er könnte mit ihm an einem Tisch sitzen. Helge hatte seit drei Jahren keine Kneipe mehr betreten. Es war zu gefährlich. Er mochte die Blicke der Gäste nicht, die der Wirte auch nicht, die ihm alles ansahen, seine Lebensgeschichte, seinen verlorenen Führerschein, die davongelaufene Frau, den Job, den er schon lange nicht mehr hatte.
Aber wenn er mit Ludo reinginge, in dieses Wirtshaus mit dem Menü und der Tagessuppe, dann könnte er eine Bluna bestellen. Bluna für Ludo und sich selbst auch, um allen zu beweisen, dass er sich geändert hatte. Dass er nicht mehr trank.
»Junge«, sagte er. Plötzlich stand er neben Ludo, der sich nicht von der Stelle rührte, ihn anstarrte, Horror im Gesicht, während hinter ihnen der Verkehr rauschte und in Helges Ohren widerhallte.
»Was wollen Sie denn von mir!«, schrie Ludo. Seine Stimme klang ganz hoch, wie die eines Mädchens, eines hysterischen Mädchens. Helges Herz setzte einen Schlag aus. Der Junge war sein Sohn. 99,99%. Festgestellt in einem Labor. Der Abgleich zweier genetischer Spuren. Mehr nicht. Dieser Abgleich sagte nichts über Gefühle, Liebe, Zusammengehörigkeit.
Was war das überhaupt: Liebe! Wohin hatte ihn die Liebe geführt? Ins Off, ins Nirgendwo.
»Ludo â¦Â«
»Lassen Sie mich in Ruhe!«
Helge bekam plötzlich keine Luft mehr. Etwas Hartes krachte gegen sein Brustbein. Er flog. Wirbelte durch den Frühlingshimmel, so leicht und frei.
Schlug auf.
Polizei.
Ambulanz.
Leichenwagen.
*
Mainpost, Lokalseite:
Am gestrigen Montag kam es zu einem folgenschweren Unfall in der WörthstraÃe. Ein 14-Jähriger stieà einen Arbeitslosen auf die Fahrbahn. Der 37-jährige Helge S. wurde von einem Reisebus erfasst. Er verstarb noch an der Unfallstelle. Augenzeugen des Vorfalls sagten aus, der Jugendliche hätte völlig grundlos und ohne Vorwarnung den Arbeitslosen mit beiden Händen gegen die Brust gestoÃen. Es habe weder eine Unterhaltung noch einen Streit zwischen den beiden gegeben. Die Ermittlungen, so der Polizeipressesprecher, seien noch nicht abgeschlossen.
Freizeittipps
47  Alter Kranen, Würzburg; im 18. Jahrhundert nach Plänen von Balthasar Neumanns Sohn Franz Ignaz gebaute Konstruktion zum Be- und Entladen der Mainschiffe.
48  Afrika-Festival, Würzburg; gröÃtes Festival afrikanischer Musik in Deutschland, jährlich Ende Mai/Anfang Juni auf den
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