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Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Titel: Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Laubreste hingen darin. Sie trug noch das Kleid, er hatte es bloß hochgeschoben.
    Bestimmt würden sie bald nach ihr suchen. Sie hatte den Anschluss an ihre Klasse verpasst, tagträumend, wie Kindern das eben so passierte.
    Was für schöne, blaue Augen sie hatte. Er drückte zu. Es knackte.
    Es war genauso einfach wie damals.
    Er warf den noch warmen Körper ins Dickicht.
    Dann ging er davon. Mit schnellen, resoluten Schritten.

    *

    Sidonie hatte das Fotoalbum auf dem Tisch ausgebreitet, nachdem die Kellnerin unsere Kuchenteller abgeräumt hatte. Nur die Kaffeekännchen standen noch da. In gewissen Abständen bestellte Sidonie Nachschub.
    Â»Ich war immer eine Kaffeetante«, entschuldigte sie sich. »Im Heim ist der Kaffee miserabel. Schlimmer als damals in der schweren Zeit, als es nichts gab!«
    Genau auf die schwere Zeit wollte ich zu sprechen kommen. »Die Nazis«, fing ich an, »was haben die für Ihr Leben bedeutet?«
    Sie warf mir einen verblüfften Blick zu.
    Â»In der Zeit, auf die Sie anspielen, waren wir alle Nazis.« Sie blätterte im Album. »Ich auch. Ich war im Reichsarbeitsdienst. Wissen Sie, was das war?«
    Ich nickte.
    Â»Ich war zum Einsatz auf etlichen Höfen hier in der Gegend. Auch drüben in Thüringen.« Sie lachte. »Sehen Sie, ich sage immer noch ›drüben‹. Obwohl die Grenze schon über 20 Jahre wieder weg ist. Aber sie hat uns abgeschnitten von unserem Leben.«
    Â»Die Nazis …«
    Â»Die Nazis haben den Krieg angezettelt, sich unmöglich aufgeführt und neben Millionen anderen ihr eigenes Volk ins Verderben geführt. Aber damals wussten wir das ja nicht.« Sie wies auf ein Foto. Drei Mädchen im Mantel mit dem RAD-Abzeichen. »Hier machten wir einen Ausflug zur Kirchenburg nach Ostheim  64 . Wussten Sie, dass der Ort damals noch zu Thüringen gehörte? Eine richtige Enklave war das. Aber zur Nazi-Zeit zählte ohnehin nur Deutschland.«
    Ich betrachtete das Foto. Ein massives Fundament aus Stein, oben Fachwerk, wie fast überall in der Rhön.
    Â»Wir hatten keine schlechte Zeit. Wir waren gute Freundinnen. Als der Krieg aus war, war ich 22 Jahre alt. Heute würde man sagen, da fängt die Zukunft an. 1946 habe ich geheiratet. Da war die Zukunft schon wieder vorbei.«
    Â»Glauben Sie das wirklich?«
    Â»Glauben ist nicht das richtige Wort. Mein Mann hat sich irgendwie davongestohlen aus dem braunen Sumpf, von dem leider noch ziemlich viel übrig war. Er war …« Sie nahm einen Schluck Kaffee und beendete ihren Satz nicht.
    Â»Er war was?«
    Â»Sie fragen aber ziemlich direkt.«
    Â»Er war selbst ein Nazi?«
    Â»Ein überzeugter. Ist es bis zu seinem Lebensende geblieben. Aber er hielt damit hinter dem Berg. Er war ein Einzelgänger. Inzwischen ist mir auch klar, warum.«
    Sie schlug eine neue Seite im Album auf. Sie selbst im Hochzeitskleid mit Krönchen, sehr dünn, sehr ernst dreinblickend. Ihr Mann in einem schwarzen Anzug mit weißem Sträußchen am Revers. »Man hat uns damals ganz schön rausgeputzt. Wir haben in Münnerstadt  65  geheiratet. Lothar wohnte damals dort. Kuschelig, mit viel Zusammenhalt unter den Bewohnern. Aber das war nach dem Krieg ohnehin so. Ein hübscher Ort.«
    Â»Was hat Ihr Mann denn beruflich gemacht?«
    Â»Gemeindeverwaltung.«
    Mist. Ich kam einfach nicht an Informationen über die Musterhöfe. Wahrscheinlich war ich doch gezwungen, im Archiv nachzusehen, was an Unterlagen noch übrig war.
    Â»Die landwirtschaftlichen Experimente der Nazis …«
    Sie winkte ab. »Mein Mann und ich hatten beide keinen bäuerlichen Hintergrund. Ich habe Abitur gemacht! Meine Mutter wollte das so. Aber die Nazis hatten es nicht so mit der Intelligenz, deswegen mussten im RAD auch wir Abiturientinnen am meisten einstecken. Die gemeinsten Schikanen galten uns. Mein Mann fand nach dem Krieg schnell eine Stelle in Münnerstadt, also lebten wir dort.« Sie blätterte weiter. Ich sah sie mit ihrem Mann, dessen Haaransatz an der Stirn schon deutlich zurückwich, Sidonie hielt ein Baby im Arm. In akkuraten Buchstaben stand ›Karl 1957‹ darunter.

    *

    Der Mord ging groß durch die Zeitungen. Lothar bewahrte die Nerven. Das Schwarze Moor war weit genug weg von Münnerstadt, und es gab keinen Grund, ihn zu verdächtigen. Ein halbes Jahr später bekam er eine Stelle

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