Wer nie die Wahrheit sagt
mich, wieso er mich gerade jetzt umbringen wollte? Wieso die Eile? Es mussten doch noch vier Bilder gefälscht werden. Wieso ausgerechnet jetzt?«
Aber vielleicht konnten sie die Bilder ja wieder beschaffen; er jedenfalls wollte es. Und Simon erwiderte: »Gute Frage. Ich weiß nicht, wieso sie die Bremsleitung durchgeschnitten haben. Ich schätze mal, dass irgendwas passiert ist, das ihnen Sorgen machte, das sie zur Eile zwang.«
»Aber wieso mich nicht gleich töten? Es wäre doch weit einfacher für Tennyson gewesen, die Gemälde einfach zu erben, so dass sie ganz legal ihm gehörten. Dann hätte er sich doch gar nicht erst die Mühe machen müssen, sich einen erstklassigen Fälscher zu suchen und dann die Sammler zu kontaktieren, die an den Bildern Interesse haben könnten.«
»Sie können darauf wetten, dass Mr. Monk ihm dabei kräftig geholfen hat. Dieser Mr. Monk hat ohne Zweifel keine makellose Vergangenheit. Werde das sofort überprüfen.«
»Ja«, fuhr Lily fort, den Kopf nachdenklich zur Seite geneigt. »Er hätte mich gleich töten können, dann hätten die Bilder ihm gehört. Er hätte sie ganz legal verkaufen können, ohne Risiko, ohne dass ihm dafür jemand hätte ans Leder gehen oder ihn betrügen können. Wahrscheinlich hätte er auf diese Weise noch mehr Geld gemacht, Sie wissen schon, bei einer Auktion.«
»Erst mal hätte der Mord an Ihnen Savich auf den Plan gebracht, mit der ganzen Macht des FBI in seinem Rücken. Unterschätzen Sie nie die Entschlossenheit Ihres Bruders, Lily, oder seinen Zorn, wäre Ihnen wirklich etwas zugestoßen. Was eine legale Auktion betrifft, da irren Sie sich. Kunstsammler, die auch vor illegalen Wegen nicht zurückscheuen, um zu bekommen, was sie wollen, bezahlen Riesensummen, manchmal geradezu unverschämte Summen, einfach weil sie etwas ganz Einmaliges wollen, etwas, das sonst niemand auf der ganzen weiten Welt besitzt. Je stärker die Besessenheit, desto mehr bezahlen sie. Dieser Weg war zwar sicherlich riskanter, aber der Gewinn wahrscheinlich auch ungleich höher, selbst wenn man die Kosten für den Fälscher mit einbezieht. Das wirkliche Risiko bestand darin, Sie zu töten. Wie gesagt, irgendwas muss passiert sein, dass sie so handelten. Ich weiß auch nicht was, aber wir werden’s wahrscheinlich rausfinden. Also, wie wär’s jetzt mit einem schönen Mittagessen, bevor Sie nach Hause gehen und sich hinlegen?«
Lily dachte, wie müde sie doch war, dass sie sich am liebsten in den nächsten Sessel gesetzt und geschlafen hätte. Doch dann lächelte sie. »Darf es mexikanisch sein?«
13
QUANTICO
Savich saß in seinem kleinen Büro im Jefferson Dormitory, einem Wohnheim der FBI-Akademie, als zwei Agenten Marilyn Warluski hereinführten, die ein Kind von Tommy Tuttle bekommen hatte; vom Verbleib dieses Kindes war jedoch nichts bekannt. Man hatte sie in Bar Harbor, Maine, geschnappt, als sie gerade einen Greyhound-Bus nach Nova Scotia besteigen wollte. Da sie eine Zeugin war und Savich sie in sicherem Gewahrsam haben wollte, hatte man sie mit einem FBI-Jet nach Quantico gebracht.
Er war ihr noch nie begegnet, hatte aber ein Foto von ihr gesehen und wusste, dass sie kaum Schulbildung hatte und wohl auch nicht allzu intelligent war. Sie sah eigenartig aus, fand er, sogar jünger als auf dem Foto, hatte mindestens zehn Kilo zugenommen. Ihre Haare, die auf dem Bild kurz geschnitten gewesen waren, hingen ihr nun in öligen Strähnen bis auf die Schultern. Sie sah eher müde als ängstlich aus. Nein, das stimmte nicht. Sie wirkte vollkommen niedergeschlagen, besiegt, ohne jede Hoffnung.
»Mrs. Warluski«, sagte er mit seiner tiefen, ruhigen Stimme und forderte sie dabei mit einem Wink auf, Platz zu nehmen. Die beiden Agenten verließen das Büro und zogen die Tür hinter sich zu. Savich drückte unauffällig auf einen Knopf an der Innenseite der mittleren Schreibtischschublade – im Nebenraum konnten nun zwei Profiler mithören.
»Mein Name ist Dillon Savich. Ich arbeite für das FBI.«
»Ich weiß von nix was«, war alles, was Marilyn Warluski darauf sagte.
Savich lächelte sie bloß an und nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz.
Er schwieg und beobachtete, wie sie in der sich immer länger ausdehnenden Stille nervös wurde. Schließlich sagte sie mit vor Aufregung fast schriller Stimme: »Bloß weil Sie gut aussehen, heißt noch lange nich, dass ich Ihnen auch was sage, Mister.«
Das war ein Knaller. »He, meine Frau findet, dass ich gut aussehe,
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