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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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aber jetzt, wo Sie das sagen, frage ich mich, ob Sie mich vielleicht bloß einseifen wollen.«
    »Nee«, sagte sie kopfschüttelnd, »Sie seh’n verflucht gut aus, und eine Polizistin im Flugzeug hat gesagt, Sie wär’n ein echter Kerl. Die haben gedacht, wenn sie mich vor so einen Schönling setzen, dann quatsche ich, also haben sie Sie hergeholt.«
    »Nun ja«, meinte Savich, »mag ja sein.« Er schwieg ganz kurz, dann sagte er mit überraschend harter Stimme: »Haben Sie je die Ghule gesehen, Marilyn?«
    Er dachte, sie würde vom Stuhl kippen. Dann wusste sie also von den Ghulen. Sie wurde kreidebleich und sah aus, als wollte sie gleich weglaufen.
    »Sie sind nicht hier, Marilyn.«
    Sie schüttelte den Kopf, immer wieder und flüsterte dabei: »Unmöglich, Sie können nix von den Ghulen wissen. Unmöglich. Die Ghule sind schrecklich, ganz schrecklich.«
    »Hat Ihnen Tammy denn nicht erzählt, dass ich auch in der Scheune war, dass ich sie gesehen, ja sogar auf sie geschossen habe?«
    »Nee, hat sie mir nie nich gesagt … Mist. Scheiße. Ich weiß gar nix, hörnse?«
    »Also gut, sie hat Ihnen also nicht gesagt, dass ich sie gesehen habe, und sie hat Ihnen auch nicht meinen Namen gesagt, was interessant ist, denn sie kennt ihn. Aber sie hat Ihnen bestimmt erzählt, dass sie’s mir heimzahlen will, stimmt’s?«
    Marilyn hatte die Lippen fest zusammengepresst. Sie schüttelte den Kopf und sagte: »O ja, das wird sie. Sie nennt Sie einen unheimlichen Wichser. Ich weiß nich, wieso sie mir nich gesagt hat, dass Sie die Ghule gesehn haben.«
    »Vielleicht traut sie Ihnen ja nicht.«
    »O doch, Tammy traut mir. Sie hat jetzt sonst niemand mehr. Und sie kriegt Sie, Mister, sie kriegt Sie.«
    »Damit Sie’s gleich wissen, Marilyn, ich bin derjenige, der sie angeschossen hat, der Tommy getötet hat. Ich wollte nicht, aber sie ließen mir keine Wahl. Da waren zwei Kinder, und die wollten sie umbringen. Halbwüchsige Jungen waren das, Marilyn, und sie hatten eine Scheißangst. Tommy und Tammy hatten sie entführt, misshandelt, und sie wollten sie töten, wie sie schon viele Jungen im ganzen Land getötet haben. Wussten Sie das? Wussten Sie, dass Ihr Cousin und Ihre Kusine Mörder sind?«
    Marilyn zuckte mit den Schultern. Savich bemerkte einen Riss unter dem rechten Ärmel ihrer braunen, rissigen Lederjacke. »Sie gehören zur Familie. Tommy könnt mir ja vielleicht fehlen – jetzt, wo er tot is –, aber er hat unser Baby getötet, hat einfach sein kleines Köpfchen aufgeschlagen, wie ’ne Nuss, und da war ich furchtbar sauer auf ihn, ziemlich lange. Tommy war hart, echt hart. Immer machte er Sachen, die man nich erwartet hat, die einen zum Schreien brachten. Sie haben ihn getötet. Der war schlimm, Tommy, echt schlimm. Tammy hat Recht, Sie sind echt unheimlich.«
    Savich sagte nichts dazu, nickte nur, wartete.
    »Sie hätten Tammy nich so anschießen dürfen, dass sie ihr gleich den ganzen Arm abnehmen mussten. Sie haben überhaupt nichts in meiner Scheune zu suchen gehabt. Das ging Sie ’nen verdammten Scheißdreck an.«
    Er lächelte nur, beugte sich vor, die Hände flach auf dem Schreibtisch. »Sicher geht’s mich was an. Ich bin ein Bulle, Marilyn. Wissen Sie, ich hätte Tammy töten können, nicht bloß den Arm abschießen. Wenn ich sie in dieser Scheune getötet hätte, dann hätte sie den kleinen Jungen in Chevy Chase nicht töten können. Entweder sie war das oder die Ghule. Vielleicht haben die Ghule ja den Jungen getötet, denn da war ein Kreis. Brauchen die Ghule einen Kreis, Marilyn? Sie wissen es nicht? Waren Sie dabei, als sie sich den Jungen schnappte? Haben Sie ihr vielleicht sogar dabei geholfen, ihn zu töten?«
    Abermals zuckte Marilyn mit den Schultern. »Nee, wusste eigentlich nich mal, was sie vorhatte. Ließ mich in diesem dreckigen Highwaymotel sitzen und meinte, ich soll mich ja nich vom Fleck rühren, oder sie würd mir die Fresse polieren, wenn sie wieder da is. Hat richtig glücklich ausgesehen, als sie zurückkam. Ihre Schwesternuniform war voller Blut; sie hat gesagt, jetzt muss sie sich was anderes zum Anziehen suchen. Sie hat gemeint, es passt irgendwie, dass Blut auf der Uniform war, ja. Aber jetzt sag ich wirklich nix mehr. Hab schon viel zu viel gesagt. Ich will jetzt gehen.«
    »Wissen Sie, Marilyn, ihre Kusine ist sehr gefährlich. Sie könnte sich, einfach so, auch über Sie hermachen.« Er schippte mit den Fingern und sah, wie sie sich auf ihrem Stuhl förmlich verkroch, wie

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