Wer nie die Wahrheit sagt
Reißverschluss an seiner brandneuen Jeans hochzog und den brandneuen Gürtel einfädelte. Er winkte Hoyt in sein luxuriöses Zimmer mit dem Kingsize-Bett, das fast drei Viertel des Raumes einnahm. Lily residierte gleich nebenan, im Nachbarzimmer. Sie wohnten jetzt im Warm Creek Lodge und hatten beide von einem Fenster aus einen herrlichen Blick aufs Meer, von einem anderen über die Altstadt. »Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie gleich heute früh nach ihm geschaut haben, denn Lily und ich hatten ja buchstäblich nur noch das, was wir auf dem Leib trugen. Obwohl, ich hätte nichts dagegen gehabt, dem Blödmann selbst einen Besuch abzustatten. Gott sei Dank habe ich gestern Abend mein Portemonnaie in meiner Jeans stecken lassen, ansonsten säßen wir jetzt ganz tief in der Kacke. Ja, wenn mir die Kreditkartenfirma nicht die neuen Karten geschickt hätte, nachdem mir in New York die Brieftasche gestohlen wurde, sähen wir trotzdem alt aus. Aber jetzt sind wir wieder prima ausgestattet, wie Sie sehen. Also, wie steht’s mit Monks Wagen? Schon irgendwo aufgetaucht?«
»Wir haben eine Suchmeldung nach ihm laufen – ein Jeep Grand Cherokee, Baujahr 98, dunkelgrün. Und wir beobachten den Arcata Airport. Wir haben die ganze Gegend, bis runter nach San Francisco benachrichtigt, obwohl ich nicht glaube, dass er so weit gekommen ist.«
»Das Problem ist, wir wissen nicht, wann er sich aus dem Staub gemacht hat. Glauben Sie nicht, es wäre besser, alle drei umliegenden Bundesstaaten zu alarmieren?«
»Ja, gute Idee. Ich vermute, er hat’s mit der Angst zu tun gekriegt. Ich bezweifle, dass er einen falschen Ausweis oder Pass hat. Wenn er versucht, ein Flugzeug zu nehmen, dann haben wir ihn.«
Simon nickte. »Möchten Sie vielleicht einen Kaffee? Der Zimmerservice hat gerade ’ne Kanne raufgeschickt.«
Clark Hoyt sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Er sagte erst wieder ein Wort, nachdem er zwei Tassen Kaffee runtergestürzt und ein Croissant mit echter Butter und zuckerfreier Aprikosenmarmelade vertilgt hatte.
Als Lily ein paar Minuten später reinkam, musste Simon lächeln, als er sie sah. Sie trug eine schwarze Stretchjeans, einen schwarzen Rolli und schwarze Schnürstiefel. Sie sah aus wie eine Märchenprinzessin, die in ihren freien Nächten als Meisterdiebin die Dächer unsicher macht. Clark Hoyt erhob sich, um sie zu begrüßen, und sagte: »Schon viel besser als heute früh. Steht Ihnen gut, das ganze Schwarz.«
Lily bedankte sich, schenkte sich einen Kaffee ein und sah zu, wie er ein weiteres Croissant vertilgte. Er erzählte Lily, was sie bis jetzt alles nicht erreicht hatten. »Hab Savich drüben in Disneyland Ost angerufen und über alles informiert. Hat mich auf den Kopf meines Schnauzers Gilda schwören lassen, dass kein Härchen auf euren Köpfen versengt wurde. Es war eindeutig Brandstiftung, aber wir haben noch keine Ahnung, wer die Mistkerle waren, die das gemacht haben, oder wer sie angeheuert hat.«
»Disneyland Ost?«, fragte Lily mit hochgezogener Braue.
»Jep. Bloß einer von den niedlichen Spitznamen, die wir fürs FBI-Hauptquartier haben. He, vielen Dank fürs Frühstück. Ihr Leutchen riecht noch immer nach Rauch. Ist schwer, wieder loszukriegen, ich weiß Bescheid. Letztes Jahr war ich ein wenig übereifrig beim Grillen und hab mir die Augenbrauen versengt. Nicht, dass man’s gesehen hätte, denn mein Gesicht war ganz schwarz. Ruht euch ein wenig aus, und lasst euch nicht blicken, bis ich was Neues für euch habe, ja?«
Es war früh am Nachmittag, als Hoyt sie von der Lodge abholte. Mr. Monk hatte nicht versucht, sich zu verdrücken. Tatsächlich war er nirgendwo hingegangen. Er war vielmehr ziemlich tot, Kopf auf dem Lenkrad, drei Kugeln im Rücken. Der Jeep stand in einem lichten Sequoiawäldchen und war von ein paar neugierigen Wanderern entdeckt worden.
Lieutenant Larry Dobbs vom Eureka-Polizeirevier wusste, dass die Situation kompliziert war, dass diese Leiche nur einen kleinen Teil der Geschichte darstellte und dass sogar das FBI eingeschaltet worden war. Er hatte daher nichts dagegen, als Clark Hoyt ihn bat, die beiden Zivilisten an den Tatort bringen zu dürfen – natürlich nachdem alle Spuren dort gesichert worden waren.
Simon und Lily standen da und starrten den Jeep an. »Die haben gar nicht richtig versucht, ihn zu verstecken«, sagte sie. »Andererseits hätte es auch lange dauern können, bis jemand zufällig auf ihn gestoßen wäre. Gott sei Dank
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