Wer nie die Wahrheit sagt
Leute reagieren wirklich blitzschnell. Allmählich glaube ich selber, dass Olaf Jorgenson dahinter steckt, so wie du sagtest, nicht die Frasiers. Wie hätten die Frasiers überhaupt von dir erfahren können, geschweige denn, wo du bist?«
»Da hast du Recht. Aber wenigstens hat der Kerl nicht versucht, mich umzubringen.«
»Wahrscheinlich sollte es eine Warnung sein.«
»Wahrscheinlich. Aber das jetzt war keine Warnung, das war todernst. Wir stecken ganz schön tief drin, Lily. Ich wette mit dir, dass uns Clark Hoyt jetzt nicht mehr aus den Augen lässt, solange wir uns in seinem Revier aufhalten.«
»Darüber bin ich im Moment sogar ganz froh. Nein, Simon, sag’s nicht. Ich werde dich jetzt nicht im Stich lassen.« Sie verfiel in Schweigen, und eine Weile glaubte er schon, dass sie jetzt endgültig zusammengeklappt wäre, doch dann sagte sie: »Simon, hab ich dir je gesagt, dass Jeff MacNelly mein größtes Vorbild war?«
Wer war Jeff MacNelly? Er schüttelte langsam und fasziniert den Kopf.
»O ja, das war er. Ich habe ihn sehr bewundert.« Als sie merkte, dass er keine Ahnung hatte, von wem sie sprach, erklärte sie: »Jeff MacNelly war ein sehr berühmter und talentierter Cartoonzeichner. Er hat mit seinen politischen Cartoons drei Pulitzerpreise gewonnen, aber er hat nie gesagt, dass sie böse wären. Er ist im Juni 2000 gestorben, und ich vermisse ihn sehr. Es ärgert mich, dass ich ihm nie gesagt habe, wie viel er für mich und Remus bedeutet.«
»Tut mir Leid, das zu hören, Lily.« Erst jetzt merkte er, dass sie am Rand eines Schocks stand, und wickelte noch eine Decke um sie. Das alles war selbst für sie zu viel. Ihr Leben war, seit sie Tennyson Frasier geheiratet hatte, aus dem Ruder gelaufen. Er konnte sich nicht vorstellen, was sie durchgemacht haben musste, als sie ihre Tochter verlor und monatelang unter schweren Depressionen litt. Und jetzt auch noch das alles.
Lily murmelte: »Jeff MacNelly hat gesagt, ›wenn’s um Humor geht, gibt es keinen Ersatz für die Realität und die Politiker‹. Diese Realität gefällt mir gar nicht, Simon. Wirklich nicht.«
»Mir auch nicht.«
WASHINGTON D.C.
Hoover-Gebäude
Savich legte langsam auf, starrte einen Moment lang aus dem Fenster und verbarg das Gesicht in den Händen.
Er hörte Sherlock fragen: »Was ist, Dillon? Was ist passiert?« Ihre Hände massierten seine Schultern, ihr Atem strich warm über seine Schläfe.
Er hob langsam den Kopf und blickte zu ihr auf. »Ich hätte sie erschießen sollen, Sherlock, Kopfschuss, genau wie Tommy Tuttle. Das ist alles meine Schuld – der Tod dieses Jungen in Chevy Chase und jetzt das hier.«
»Sie hat wieder jemanden umgebracht?«
Er nickte, und sie hasste die Verzweiflung in seinen Augen, den Schmerz, der fast greifbar war. »In Road Town, auf Tortola; das gehört zu den britischen Virgin Islands.«
»Erzähl, was passiert ist.«
»Das war Jimmy Maitland. Er sagte, der Polizeichef hat alle unsere Berichte erhalten, hat seine Beamten alarmiert und abgewartet; und jetzt wurde ein Apotheker ermordet, Kehle durchgeschnitten. Die Apotheke war vollkommen verwüstet, unmöglich festzustellen, welche Medikamente gestohlen wurden, aber wir wissen es auch so – Schmerzmittel und Antibiotika. Es gibt keinerlei Hinweise, aber sie durchkämmen die Insel nach einer Einarmigen, der es nicht gerade gut geht. Bis jetzt keine Spur. Nicht mal einen Hauch von einer Spur. Tortola ist nicht wie Saint Thomas. Es ist viel primitiver, hat viel weniger Einwohner, mehr Verstecke, und außerdem kommt man nur mit dem Boot zur oder von der Insel weg.«
»Tut mir Leid, dass das passiert ist. Du weißt, dass sie sich ein Boot verschafft haben muss. Inzwischen hat sie Tortola wahrscheinlich schon wieder verlassen, hat auf eine andere Insel gewechselt.«
»Schwer zu glauben, dass niemand ein Boot als gestohlen gemeldet hat.«
»Es ist schon spät«, sagte Sherlock. »Benachrichtige alle anderen Inseln per E-Mail, und dann lass es erst mal gehen. Fahren wir nach Hause, spielen wir ein bisschen mit Sean, und dann gehen wir ins Fitnessstudio. Was du brauchst, ist ein richtig hartes Training, Dillon.«
Er erhob sich langsam. »Gut, aber zuerst muss ich mit allen Polizeistationen da unten reden, um sicher zu sein, dass alle wissen, was auf Tortola geschehen ist. Ich muss denen noch mal sagen, wie gefährlich sie ist.« Er küsste sie, drückte sie fest an sich und sagte dann, die Lippen an ihrer Schläfe: »Fahr schon mal heim und
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