Wer schoen sein will, muss leiden
Im Inneren der Betroffenen sieht es aber meist ganz anders aus: Die Betroffenen ekeln sich vor sich selbst, haben das Gefühl abnorm zu sein und schämen sich für das, was sie tun. Sie versuchen alles, um ihre Essanfälle durch nachfolgen-des Erbrechen, exzessiven Sport oder Abführmittelmissbrauch ungeschehen zu machen. Je stärker die Bulimie ausgeprägt ist, desto mehr isolieren sich die Betroffenen, um Zeit für Heißhungerattacken zu schaffen. Die Gedanken kreisen oft nur noch um das Thema „Essen“. Depressive Verstimmungen und Kraftlosigkeit können eine Folgeerscheinung sein. Die Bulimie hat verschiedene körperliche Folgen, welche sich in der Schwellung der Speicheldrüsen, Zahnschmelzschäden, Speiseröhreneinrisse, Magenwandperforationen sowie Elektrolytentgleisungen, die zu Nierenschäden und Herzrhythmusstörungen führen können, zeigen. Die Monatsblutung wird unregelmäßig oder kann ganz ausbleiben. Hinzu kommen häufig finanzielle Schwierigkeiten, bedingt durch den großen Nahrungsmittelkonsum und Ausgaben für Abführmittel.
Im folgenden Kasten sind die Richtlinien zur Erkennung und Diagnosestellung für Bulimie aufgeführt. Auch hier gilt: falls Sie sich in den Richtlinien bzw. im oben beschriebenen Symptombild wieder erkennen, empfehlen wir Ihnen, eine Beratungsstelle oder einen Therapeuten aufzusuchen.
Dieser Ratgeber zielt nicht nur auf Frauen, die an einer Essstörung leiden, trotzdem möchten wir kurz Bedingungen aufzeigen, die zur Entwicklung einer Essstörung führen können. Leider können wir dabei nicht auf alle Aspekte dieses komplexen Störungsbildes eingehen. Falls Sie an einer Essstörung leiden und ausführliche Informationen zu den einzelnen Störungsbildern suchen, möchten wir Sie auf die im Anhang auf Seite 129 vorhandenen Ratgeber und Selbsthilfebücher verweisen.
1.4 Welche Ursachen und Auslöser für Essstörungen gibt es?
Für beide Krankheitsbilder gibt es unterschiedliche allgemeine Erklärungsmodelle zur Entstehung der Störung. Wichtig ist jedoch, dass ein individuelles Erklärungsmodell erarbeitet wird.
Allgemein wird vermutet, dass folgende Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von Essstörungen spielen:
• Gesellschaftliche Faktoren
Als wesentliche Risikofaktoren haben sich das gesellschaftliche Schlankheitsideal und eine veränderte Rollenerwartung an Frauen erwiesen. Einerseits können sich Frauen von der traditionellen Hausfrau- und Mutterrolle distanzieren und beruflichen Erfolg und Leistungsbereitschaft anstreben, andererseits werden ihnen aber nach wie vor die weiblichen Tugenden der Warmherzigkeit, des Sorgens für andere und vor allem des Schönseins zugesprochen und abverlangt.
• Individuelle Risikofaktoren
Individuelle Risikofaktoren können ein Mangel an Selbstwertgefühl oder Selbstunsicherheit sein, ein Mangel an Wahrnehmungsfähigkeit der eigenen Körpersignale wie Hunger oder Sättigung sowie Gewichtskontrolle und Diäten.
• Familiäre Faktoren
Die familiäre Situation ist bei Frauen mit Essstörungen häufig durch große Unsicherheit geprägt. Häufig finden sich Verlusterlebnisse wie die Trennung von einem Elternteil. Das hat zur Folge, dass die Betroffenen früh einem Mangel an Unterstützung ausgesetzt sind. Die Atmosphäre in der Familie ist zudem häufig durch Kontrolle und Konfliktvermeidung charakterisiert. Ein Kennzeichen dafür sind indirekte und gegenseitige Beschuldigungen oder abwertende Bemerkungen oder auch widersprüchliche Botschaften im Umgang miteinander. Vor allem Konfliktvermeidung trägt dazu bei, dass die Betroffenen kaum Strategien zur Lösung von Problemen erlernen und ihre Gefühle zurückhalten. Vielmehr scheint das „Überleben“ angesichts solcher Beziehungsmuster nur durch ein hohes Maß an Kontrolle der eigenen Gefühle möglich.
• Lernerfahrungen
Viele betroffene Frauen berichten über familiäre Schlankheits- und Gesundheitsideale, die darauf beruhen, der äußeren Erscheinung eine hohe Bedeutung einzuräumen. Häufig werden die Bedürfnisse des Einzelnen nicht respektiert. Dies kann sich ebenso auf die Wahrnehmung von Körpersignalen wie beispielsweise Hunger und Sättigung übertragen. Dadurch kann deren Wahrnehmung auch verlernt werden. Essen wird in diesen Familien häufig nicht bedürfnisorientiert eingesetzt, sondern als Mittel der Ablenkung, Belohnung und Entspannung und zur Aufrechterhaltung traditioneller Normen betrachtet.
• Diäten
Diäten gelten
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