Mord ist der Liebe Tod
Kanada, vor acht Wochen
Kommissarin Jenny Becker blickte entsetzt auf den Schlüsselanhänger in ihrer Hand. Sie traute ihren Augen nicht. Das konnte nicht sein!
Es hätte ihr Traumurlaub sein sollen. Ganze vier Wochen in einer einsamen Hütte an einem See, nur mit ihrer großen Liebe, dem Dozenten und Maler Paul Gascon.
Doch in dem Moment, als sie den Anhänger fand, wurde ihr klar, dass Paul der Serienmörder war, nach dem sie und ihre Kollegen von der Frankfurter Kriminalpolizei so lange gesucht hatten. Den Schlüsselanhänger hatte er dem ersten Opfer abgenommen und er war wohl unbemerkt ins Futter seiner Steppjacke gerutscht.
Panisch schaute Jenny nach draußen und erblickte Paul, der gerade Holz für den Kamin hackte. Was sollte sie jetzt bloß tun? Noch bevor sie eine Lösung parat hatte, trat Paul in die Hütte, den Arm voller Holzscheite. Ihr stockte der Atem. Sie stand da und starrte ihn entsetzt an, den Anhänger in der Hand.
Mit einem Blick erfasste Paul die Situation. Dann ging alles rasend schnell. Er ließ das Holz fallen und warf sich auf sie, doch zum Glück spielte ihr Polizistinneninstinkt mit und sie wich rechtzeitig aus.
So erwischte er sie nur an der Schulter und warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie. Sie fiel auf die Hüfte und auf den Arm. Es knackte verdächtig und ein höllischer Schmerz durchzuckte sie.
Paul drückte sie zu Boden und legte die Hän de um ihren Hals. Mit letzter Kraft bohrte sie ihm den Anhänger, den sie immer noch umklammert hielt, mit Wucht ins Auge. Mit einem Schmerzensschrei ließ er von ihr ab. Geistesgegenwärtig ergriff sie ein Holzscheit und schlug ihm damit gegen die Schläfe. Er klappte zusammen und lag bewusstlos auf dem Holzboden.
Der verletzte Arm behinderte sie, doch sie fesselte Paul mit ein paar Kabelbindern und Angelschnur und schnürte ihn an einem Balken fest.
Dann humpelte sie ans Satelliten-Handy und verständigte den Notruf.
Zwei Stunden vergingen, bis endlich Hilfe eintraf. Es waren die längsten ihres Lebens. Paul war nach einer Viertelstunde aufgewacht, beobachtete sie schweigend und mit ausdruckslosem Blick, obwohl er das Auge, das sie verletzt hatte, nicht öffnen konnte.
Sie selbst traute sich nicht, ihn aus den Augen zu lassen. Als endlich das Wasserflugzeug mit Polizisten und einem Arzt an Bord eintraf, brach sie vor Erleichterung zusammen.
Die Polizisten erkannten die Situation, schienten ihren Arm professionell und brachten sie ins Flugzeug, in dem Paul bereits gefesselt saß.
Sie brauchten eine halbe Stunde bis zur Stadt Actons. Dort versorgten sie Paul und überstellten ihn ins Gefängnis nach Waterville. Jenny kam ins Krankenhaus.
Fortan beherrschte er ihre Gedanken und Albträume.
Sie hatte diesen Mann geliebt, hatte ihre Geheimnisse mit ihm geteilt, mit ihm geschlafen. Wie hatte sie sich so von ihm täuschen lassen können? In Wirklichkeit war er ein eiskalter Mörder, der nicht nur seine erste Frau bestialisch getötet hatte, sondern noch fünf weitere Opfer.
Lachte er sie aus, fragte sie sich. Und würde sie sich je von den Gedanken an ihn befreien können?
Heute
Lächelnd lehnte sich Paul Gascon auf seiner Pritsche im kanadischen Untersuchungsgefängnis zurück.
Nun, auch dem perfekten Künstler passier ten Fehler.
Vielleicht hatte auch das Schicksal gesprochen.
Schließlich hatte es gerade begonnen, ihm langweilig zu werden.
Und wenn es ihm langweilig war, tendierte er dazu, anderen weh zu tun.
Und um Jenny wäre es wirklich schade gewesen.
Lebend ig hatte er sie viel lieber.
Der Gedanke, dass sie jederzeit an ihn dachte, ergötzte ihn ungemein.
Und er würde dafür sorgen, dass sie ihn nie vergessen würde….
Je nny saß auf der weißen Bank im Garten der Reha-Klinik. Sie beobachtete die anderen Patienten, die teils mit Gehhilfen durch den Garten humpelten, teils von Pflegern oder Angehörigen im Rollstuhl geschoben wurden.
Morgen würde sie entlassen werden und nach Hause können. Ihr Arm schmerzte zwar immer noch, aber die tägliche Krankengymnastik hatte ihm fast die alte Beweglichkeit zurückgegeben. Anders war es mit der Verletzung an ihrer Hüfte. Noch lange würde sie das Bein leicht nachziehen, aber auch das war nicht wirklich wichtig.
Wie so oft, wenn sie ohne Beschäf tigung da saß, drängten sich Bilder in ihren Kopf. Bilder der Ereignisse, die dazu geführt hatten, dass sie heute hier im Sanatorium saß.
Vor m orgen fürchtete sich. Hier in der Klinik war sie zumindest die meiste
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