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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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und der Sex mit ihm ein widerwärtiges Stochern gewesen. Da man neunzehnhundertachtundsechzig noch weniger freizügig war als heute, hatte Anna-Maija Mustajoki früher nie über ihr Erlebnis gesprochen. In ihren Memoiren wollte sie es jedoch erwähnen, um sich nicht makelloser darzustellen, als sie war.
    Ich blätterte weiter und suchte nach möglichen Berührungspunkten zu Lulu Nightingale. In einem Kapitel schrieb Mustajoki über den Menschenhandel als Teilbereich der internationalen Kriminalität und als Mechanismus zur systematischen Unterdrückung der Frauen, doch sie präsentierte keine Einzelfälle, sondern führte Zahlen und Statistiken an. Sie schrieb ironisch und witzig, gab über sich selbst jedoch kaum etwas preis. Immerhin entdeckte ich ein paar bekannte Namen: Anfang der achtziger Jahre war die Autorin zusammen mit Ilari Länsimies Mitglied einer kulturpolitischen Arbeitsgruppe des Außenministeriums gewesen. Sie charakterisierte Länsimies als einen politischen Emporkömmling, dessen Ehrgeiz seine Fähigkeiten weit überstieg. Bei der Präsidentschaftswahl 1982 hatte er den fatalen Irrtum begangen, den glücklosen Kandidaten Ahti Karjalainen zu unterstützen. Das war das Ende seiner innenpolitischen Karriere gewesen.
    Antti lag neben mir und las seine Fachliteratur, es kam mir vor, als lägen wir in getrennten Betten, in verschiedenen Wirklichkeiten. Der Gutenachtkuss, den wir uns gaben, war nichts als eine Formalität. Aber wenn wir ihn ausgelassen hätten, wären wir beide erschrocken.
     
    Am Morgen war der Himmel wieder wolkenlos, der Schnee auf dem Parkplatz sah braun und müde aus. Über der Haustür hing ein großer Eiszapfen. Ich brach ihn ab, damit er niemandem auf den Kopf fiel. Trotz der zehn Grad minus roch es schon ein wenig nach Tauwetter. Bald würden sich die Weiden rot und die Birkenzweige violett färben, auch wenn die Blätter noch fast zwei Monate auf sich warten ließen. Ich hatte das Gefühl, von Sonnenenergie zu leben: Solange die Sonne schien, ging alles gut.
    Ich war nicht die Erste im Präsidium. Ursula, die meine Schritte auf dem Flur gehört hatte, öffnete die Tür zu ihrem Dienstzimmer. Ich schrie unwillkürlich auf, als ich die Blutergüsse in ihrem Gesicht und den dick verbundenen Daumen ihrer rechten Hand sah.
    »Morgen, Maria. Ich bin eigentlich krankgeschrieben, wollte aber nicht zu Hause bleiben.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich bin zusammengeschlagen worden.« Ihre Stimme zitterte.
    »Können wir uns irgendwo hinsetzen? Ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen und bin ein bisschen wacklig auf den Beinen.«
    »Gehen wir in mein Zimmer«, schlug ich vor und fasste sie am Arm, offenbar zu fest, denn sie stöhnte auf. Ich ließ sofort los. »Zusammengeschlagen? Von wem?«, fragte ich, als wir auf meinem Sofa saßen.
    »Von zwei Männern, in Helsinki. Sie wollten mir einen Denkzettel verpassen, weil sie mich für eine Nutte gehalten haben, die ihnen ihr Revier streitig macht. Wahrscheinlich waren es Russen, sie sprachen ein gebrochenes Finnisch.«
    »Wo hast du dich denn rumgetrieben?«
    »Puupponen und ich haben aus den Frauen, mit denen wir geredet haben, kaum etwas rausgekriegt. Falsche Taktik. Ich hatte ihm vorgeschlagen, mit jeder ein Rendezvous zu vereinbaren, aber er meinte, das würde zu lange dauern, es wäre besser, sie per Telefon zu befragen und sich sofort als Polizist vorzustellen. Als ob eine Professionelle mit der Polizei reden würde. Eine gewisse Agnuska sagte zwar, sie hätte Lulu gekannt, aber das war auch schon alles. Ich hab mich so geärgert, weil Puupponen meine Idee mit den Internet-Pornoseiten geklaut hatte und dafür auch noch gelobt wurde! Ich hatte nämlich am Freitag eine Verabredung, deswegen konnte ich keine Überstunden machen, und in der Zeit hat Puupponen dann das gemacht, was ich eigentlich tun wollte. Obendrein war die Verabredung ein Fiasko, ein lausiger Typ von der Schupo. Puh. Gestern habe ich mir dann überlegt, ins Mikado reinzuschnuppern, da hatten sich ja auch Lulu und Sulonen kennen gelernt. Ich wollte Informationen über Lulu und Oksana sammeln. Ich hab dir ja gestern gesagt, Sulonen ist der Täter, irgendwer hat den gekauft.«
    »Ursula, das hättest du mit mir absprechen müssen! Die Idee war gut, aber so etwas macht man nicht im Alleingang.« Ich bemühte mich, ruhig zu sprechen. Brüllen hilft nichts mehr, wenn die Milch schon verschüttet ist.
    »Ich hatte keine Papiere bei mir, weder Polizeiausweis noch Führerschein,

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