Wer sich nicht fügen will
sind es nur noch zwei Wochen. Ich freu mich schon drauf …«
Ich spürte ein seltsames Kribbeln. Flirtete Antti da? Mit wem? Ich setzte meine Tasche ab und zwang mich, ins Wohnzimmer zu gehen. Dass Antti bei meinem Anblick zusammenfuhr, machte die Sache nicht besser.
»Maria ist gerade gekommen. Ruf mich an, wenn du wegen Paris was Neues hörst …. Gleichfalls. Tschüs!« Antti schaltete das Handy aus und sah eine ganze Weile zu Boden. »Du bist früh zurück. Ich dachte, du würdest wieder die halbe Nacht am Arbeitsplatz verbringen. Das war Virve, sie hat wegen dem Kongress in Paris angerufen. Der fängt in zwei Wochen schon an.«
Als wüsste ich das nicht. Ich hätte Antti gern begleitet, denn wir waren seit Jahren nicht mehr zu zweit verreist. Aber ich musste meinen Urlaub für den Sommer aufsparen, damit Iida in den langen Ferien nicht allein zu Hause war.
»Die beiden Exemplare der Memoiren von Mustajoki waren ausgeliehen und obendrein ein paarmal vorbestellt. Deshalb war ich dann noch im Buchladen.« Antti hielt mir ein Buch hin. Die Fotocollage auf dem Einband zeigte Anna-Maija Mustajoki in verschiedenen Stadien ihres Lebens. »Vielleicht kannst du es von der Steuer absetzen, schließlich brauchst du es für deine Arbeit. Kommst du mit den Ermittlungen voran?«
»Einigermaßen. Wo sind die Kinder?«
»Taneli ruht sich aus, er hat sich beim Training ganz schön verausgabt, und heute Nachmittag waren wir nochmal draußen. Iida ist in unserem Zimmer und liest. Ich hab dir Gnocchi und Hühnchen in den Kühlschrank gestellt, falls du noch nicht gegessen hast. Gehen wir heute in die Sauna?« Antti zog mich an sich, doch seine Berührung war mir unangenehm.
»Virve gibt am Freitag eine Party, zu der ich auch eingeladen bin. Das bedeutet zwar, dass ich am Wochenende nicht nach Hause kommen kann, aber es ist eine gute Gelegenheit, die Leute von der Uni ein bisschen besser kennen zu lernen. Meine Mutter oder Marita kann herkommen und sich um die Kinder kümmern, ich werde sie fragen. Musst du morgen auch arbeiten?«
»Ja.« Ich löste mich aus Anttis Umarmung und wärmte das Essen in der Mikrowelle auf, wobei die Gnocchi leider hart wurden. Iida kam mit Venjamin in die Küche. Wir hatten uns alle Mühe gegeben, dem Kätzchen beizubringen, dass es auf dem Esstisch nichts zu suchen hatte, aber als Venjamin das Hühnerfleisch roch, sprang er Iida vom Arm und versuchte auf den Tisch zu klettern. Iida lachte. Ich warf einen Fleischbrocken auf den Fußboden und ermahnte die Katze, unten zu bleiben.
»Heute hab ich einen ganz guten Rittberger geschafft, jetzt kann ich den und den Toeloop, den Salchow und den Walzersprung«, erzählte Iida und setzte die Füße, als wollte sie zu einem Sprung abheben. »Guck mal, Mutti, so geht’s!« Sie sprang tatsächlich und schlug prompt mit dem Arm gegen den Kühlschrank. Venjamin ergriff entsetzt die Flucht. »Mutti, warum ist es bei uns so eng? Und warum hab ich kein eigenes Zimmer? Ich mag nicht mehr mit Taneli im selben Zimmer schlafen!«
Was sollte ich dazu schon sagen. Ich erinnerte mich, wie toll ich es fand, als ich mit zwölf endlich ein eigenes Zimmer bekam. Bis dahin hatte ich mit meinen Schwestern Eeva und Helena im selben Zimmer geschlafen. Mein eigenes Reich war nur eine kleine Mansardenkammer, aber ich hatte sie für mich und konnte sie abschließen. Jetzt wohnten meine Eltern allein in dem großen, halb leeren Haus in Arpikylä, während wir hier in eine Dreizimmerwohnung gepfercht waren.
Antti hatte die Schlafzimmertür geschlossen. Ich hörte die Tasten des elektrischen Klaviers, er spielte mit aufgesetzten Kopfhörern. Sein richtiges Klavier hatte er bei seiner Schwester Marita untergestellt, denn Hochhauswohnung und Klavierspiel waren unvereinbar. Auch ich spielte nur noch selten auf meinem Bass, und wenn, dann ohne Verstärker. Zum gemeinsamen Musizieren kamen wir kaum noch, denn wenn die Kinder schliefen und wir Zeit gehabt hätten, war schon Nachtruhe. Ich sehnte mich nach einer eigenen Band, nach einem Proberaum, in dem ich voll aufdrehen und wieder eigene Stücke komponieren könnte.
Als die Kinder, müde von der Sauna, eingeschlafen waren, schlug ich Anna-Maija Mustajokis Memoiren auf. Die kalifornische Prostituierten-Episode, die so viel Aufsehen erregt hatte, war nur drei Seiten lang und machte mich verlegen. Der Callboy, mit dem sich Mustajoki eingelassen hatte, war ein ungeschickter, eher Furcht erregender Drogensüchtiger mit schlechten Zähnen
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