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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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immer bei Jussi oder Pave ab, und es wurde gemunkelt, als Gegenleistung würde sie mit den beiden schlafen, aber ihr wisst ja, was Oberstufenschüler so reden. In dem Alter kommt man mit seiner Sexualität noch nicht ganz klar und glaubt, alle anderen hätten mehr Erfahrung.« Terhi Pihlaja warf einen Blick auf die Uhr und kramte in ihren Papieren. Schließlich entdeckte sie das Gesuchte auf dem Festplattenlaufwerk ihres Computers.
    »Der Entwurf für meine Trauerpredigt. Ein Glück, dass ich ihn gefunden habe! Ich habe meine Tagebücher aus den letzten Schuljahren noch, die kann ich mir gern ansehen, falls ihr mehr über Lillis Jugend wissen möchtet. Lilli wollte nicht akzeptieren, dass für Jungen andere Moralvorschriften gelten als für Mädchen, daran kann ich mich gut erinnern. Sie wurde ja schon in der Schule als Nutte beschimpft, aber darüber lachte sie nur. Sie ging eben ihren eigenen Weg.«
    »Seid ihr euch nach dem Schulabschluss noch einmal begegnet?«
    »Nein. Lilli ist sofort ins Ausland gegangen, in die Schweiz, glaube ich, und ich habe in Helsinki Theologie studiert. Wir hatten auch keine Klassentreffen. Eigentlich ist es furchtbar traurig, dass uns das Wiedersehen im Studio verwehrt geblieben ist. Ich wollte meinen Ohren nicht trauen, als Riitta Saarnio plötzlich hereinplatzte und rief, Lilli sei tot. Nachdem ich mich entschieden hatte, an der Talkshow teilzunehmen, hatte ich oft über ihre Berufswahl nachgedacht.« Ihr Gesicht wurde plötzlich flammend rot. »Ich hätte sie gern noch einmal gesehen, aber dieser Polizist im Studio hat es nicht erlaubt. Musste sie sehr leiden?«
    Ich gab ihr keine Antwort. Nachdenklich ließ ich den Blick über die Papier- und Bücherstapel schweifen. Bei den Büchern handelte es sich teils um Kirchenhandbücher, teils um theologische Werke, aber es waren auch Gedichtbände darunter und ein Krimi von P. D. James, der in einem theologischen College spielt. Die oberste Schreibtischschublade war nicht ganz geschlossen, ich erblickte ein Paket Taschentücher und einen Lippenstift. Terhi Pihlaja wirkte offen und kooperationsbereit, und doch wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie schauspielerte. Vielleicht lag es nur an mir, in Gesellschaft von Pastoren fühlte ich mich oft ungemütlich. Vermutlich hatte ich Angst, sie würden mich auffordern, meine religiösen Überzeugungen darzulegen, über die ich mir selbst nicht im Klaren war. Ebendeshalb vermied ich es, darüber nachzudenken. Antti war überzeugter Atheist, aber ich brachte es nicht fertig, so geradlinig zu denken. Ich betete sogar gelegentlich, ohne recht zu wissen, zu wem. Seinen und meinen Eltern zuliebe hatte Antti immerhin der Taufe unserer Kinder zugestimmt, doch einige der Taufpaten gehörten gar nicht der Kirche an.
    »Die Tagebücher können nützlich sein, ich würde mich freuen, mehr darüber zu hören. Erinnerst du dich, ob Lulu in der Schulzeit so eine Art beste Freundin gehabt hat?«
    »Da fällt mir nur Niina Räsänen ein, zu der ich aber auch keinen Kontakt mehr habe. Lillis Eltern wissen sicher mehr darüber. Habt ihr noch Fragen? Ich würde mich nämlich vor dem Trauergottesdienst gern einen Moment zurückziehen. Es ist ein besonders trauriger Anlass, ein dreizehnjähriges Mädchen. Leukämie.«
    »Was wirst du sagen? Dass es Gottes Wille war?«, fragte ich eine Spur schärfer als beabsichtigt. Koivu sah mich verwundert an. Terhi Pihlaja schüttelte den Kopf.
    »Gott ist nicht grausam. Streng vielleicht, aber nicht grausam. Das sind zwei grundverschiedene Dinge. Ihr Polizisten müsst euch natürlich auf reine Fakten stützen, wenn ihr ein Verbrechen aufklärt, ihr könnt euch nicht auf Mysterien berufen. Bei meiner Arbeit erkennt man dagegen, dass man nicht alles erklären kann. Morgen Abend habe ich Zeit, mir die Tagebücher anzusehen, ich rufe dich an, wenn ich auf etwas stoße.«
    Ich gab Terhi Pihlaja meine Visitenkarte, dann ließen wir sie in Ruhe. Durch den Türspalt sah ich, wie sie mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf an ihrem Schreibtisch saß. Ich hoffte, sie würde tröstende Worte für die Angehörigen des toten Mädchens finden.
    Ich selbst brauchte kaum noch Trauerbotschaften zu überbringen, diese Aufgabe konnte ich an andere delegieren. Dennoch wurde ich oft mit Leid und Trauer konfrontiert. Ich trug immer Broschüren verschiedener Therapiegruppen und Krisendienste mit mir herum, um sie bei Bedarf zu verteilen. Mitunter hatten sogar Vernehmungen therapeutische Wirkung,

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