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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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damit niemand feststellen kann, wer ich bin. Notfalls wollte ich mich als Reporterin ausgeben. Im Mikado war ich auch früher schon, letztes Mal habe ich übrigens Kaartamo dort gesehen. Er war bestimmt nicht dienstlich da. Wahrscheinlich suchte er Anschluss, jedenfalls hat er sich bei meinem Anblick schnell verdrückt. Aber das war letztes Jahr. Mist!«
    Sie bekam Nasenbluten. Ich stand auf, holte eine Packung Taschentücher aus der Schreibtischschublade und warf bei der Gelegenheit die leere Salmiakschachtel in den Papierkorb. Ursula beugte sich nach vorne, ihre Wirbelsäule zeichnete sich wie eine kleine Hügelkette unter dem Hemd ab.
    »Im Mikado herrschte der übliche Betrieb, und es waren auch ein paar von unseren Leuten da. Unter anderem einer von der Zentralkripo, den ich mal bei einem Seminar gesehen habe, ein ziemlich attraktiver Bursche. Ich musste die ganze Zeit Freier abwimmeln. Gut zu wissen, dass man noch markttauglich ist.«
    Sie versuchte sich abgebrühter zu geben, als sie war. »Auf dem Klo habe ich versucht, mit ein paar Estinnen ins Gespräch zu kommen, aber die wussten angeblich nichts und hatten nie von einer Oksana gehört. Ich habe mich als Freundin von Lulu aus der Zeit in Zürich ausgegeben.« Sie tupfte sich die Nase.
    »Als ich zum zweiten Mal auf dem Klo war, auf der Flucht vor einem Betrunkenen, habe ich gehört, wie in einer Kabine zwei Mädchen russisch miteinander sprachen. Ich bin ganz sicher, dass der Name Oksana fiel, aber mehr habe ich nicht mitgekriegt, ich kann kein Russisch. Ich habe mich im Zeitlupentempo geschminkt und auf die beiden gewartet. Das war bestimmt ein Fehler. Eine von den beiden kam irgendwann aus der Kabine, eine kleine Rothaarige, sicher schon um die vierzig, aber sie sprach furchtbar schlecht Finnisch. Na ja, schließlich musste ich dann das Lokal verlassen, weil es allmählich verdächtig wirkte, dass ich immer nur dasaß, an meinem Campari nippte und mich von keinem abschleppen ließ. Ich wurde deshalb sogar schon angemotzt.«
    Das Nasenbluten kam zum Stillstand. Ursula hob den Kopf. Plötzlich schossen ihr die Tränen in die Augen.
    »Ich bin zum Taxistand gegangen, aber der war gähnend leer. Also dachte ich mir, ich nehme den Nachtbus. Und auf dem Weg zur Haltestelle, in der kleinen Grünanlage vor dem Hotel Scandic, stürzten sich zwei Männer auf mich. Sie tauchten einfach auf und fingen sofort an, auf mich einzuschlagen. Der eine hielt mir die Hand vor den Mund, den habe ich ziemlich fest gebissen. Es hat nur eine Minute gedauert, sie hatten einen Schlagstock oder so was. Sie haben gesagt, für das Mikado seien sie und ein gewisser Mischin zuständig, Privatunternehmerinnen hätten da nichts zu suchen. Das solle ich mir merken, wenn mir mein Leben lieb sei. Ich hab versucht zu schreien, und dem einen konnte ich das Gesicht zerkratzen, aber das waren waschechte Profis, die haben zügig gearbeitet und sind dann sofort verschwunden.«
    »Mitten in der Stadt? Und niemand hat eingegriffen? Gab es keine Augenzeugen?«
    »Irgendwer ist vorbeigegangen, aber du weißt doch, wie das ist. Würdest du dich mitten in der Nacht einmischen, wenn zwei Kleiderschränke eine nuttig aufgemachte Frau verprügeln? Und Polizisten waren gerade keine in der Nähe. Der eine Schläger hatte einen Mantel mit Pelzkragen, richtig plüschig. Ich hab bestimmt noch ein paar Haare davon in der Tasche. Jedenfalls, als sie weg waren und endlich ein Taxi vorbeikam, bin ich in die Marienklinik zur Notaufnahme gefahren, weil ich Angst hatte, dass der Backenknochen gebrochen war. Der blöde Fahrer jammerte die ganze Zeit über die Blutflecken auf dem Polster. In der Klinik habe ich behauptet, ich wäre gestürzt. Die wollten nämlich wissen, ob mein Freund das getan hätte und ob sie die Polizei verständigen sollten. Ich musste beinahe lachen, sie konnten ja nicht wissen, dass ich selbst von der Polizei war. Ich hatte mich als Kellnerin ausgegeben. In der Klinik war Hochbetrieb, ich war erst um sechs wieder zu Hause, und dann konnte ich nicht einschlafen. Also hab ich geduscht und bin hergekommen, obwohl ich bis Mittwoch krankgeschrieben bin.«
    Ich seufzte tief. Natürlich gab es ein Berufsrisiko, aber sich unnötig in Gefahr zu begeben war eine Dummheit. Allerdings trug auch ich körperliche und seelische Spuren von Gewalttaten mit mir herum, die ich zum Teil durch Waghalsigkeit und Unerfahrenheit mitverschuldet hatte. Eine Narbe an der linken Handfläche, unterhalb des Mittelfingers,

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