Wer spart, verliert
Dienstleistung, höherer Gehälter, höherer Ladenmieten, höherer Einkaufspreise …
In der Metzgerei meiner Eltern sind vier Personen in Vollzeit beschäftigt und zusätzlich Aushilfskräfte halbtags oder stundenweise auf 400-Euro-Basis. In vielen kleineren Geschäften schaut die Beschäftigungsbilanz nicht anders aus. Wenn man also den Pro-Kopf-Umsatz dieser kleineren Geschäfte bzw. des Einzelhandels vergleicht mit den Großketten, dann erkennt man das ganz offensichtliche Überbeschäftigungsproblem des Einzelhandels.
Wo ist Ihre Individualität geblieben?
Wir meiden unseren Einzelhandel und kleinere Unternehmen und wundern uns, wo die Vielfalt an Arbeitsplätzengeblieben ist. Bei den beliebten Großketten sind sie nicht zu finden. Wir haben uns mit ausverkauft aus den prall gefüllten Restpostenregalen. Nur noch die billigsten unter den billigen Arbeitnehmern finden hier einen Arbeitsplatz. Der Gewinn in der Kasse der Discounter steigt, während die sparende Bevölkerung von der Hoffnung zehrt, dass durch Einsparungen beim Einkauf mehr Geld im eigenen Geldbeutel bleibt. Der menschliche Faktor ist bei den Alternativen, die sich durch »billig« bieten, zu teuer geworden. Er wird nicht mehr bezahlt und erscheint nun nicht mehr bezahlbar.
Der Einzelhandel wird von seinen Kunden zunehmend wörtlich genommen, so dass mit steigender Selbstverständlichkeit die ausgezeichneten Preise einzeln verhandelt werden. Auch das ist eine unliebsame Nebenwirkung unseres selbstbewussten Billigpreisdenkens, nämlich dass wir den Bezug zu dem Wert verlieren, den wir erwerben, und vor allem unsere Wertschätzung für die Menschen, die uns ihre Dienstleistung anbieten.
Vor 10 bis 15 Jahren, als die kleinen Unternehmen und Geschäfte noch gut liefen, ging es auch den meisten Angestellten noch besser, und die Arbeitslosenquote lag bei einem verträglicheren Niveau. Die Zeiten haben sich geändert, weil wir uns geändert haben. Auf dem Lande hat bereits vor vielen Jahren eine Bereinigung der Angebotsstruktur stattgefunden. Bäcker, Metzger, Schuh- und Modehäuser sind mangels Nachfrage aus dem Dorfbild verschwunden. Viele Geschäfte stehen leer, und die Ortskerne haben an Lebendigkeit spürbar eingebüßt. Dort, wo sich früher Menschen jeder Generation begegneten und in den Pausen bei ihrem Einkaufsbummel Straßencafés füllten, tummeln sich an leeren Marktplätzen Jugendliche, die so verloren wirken wie das sie umgebende Ortsbild. Die Einkäufe finden in den billigeren Gewerbegebieten statt. Und das Leben?
In meiner Kindheit konnte man in meinem Heimatort noch selbst versorgend bestehen und alles einkaufen, was man zum Leben brauchte. Es gab ein großes Lebensmittelgeschäft und gegenüber einen kleinen Tante-Emma-Laden. Beide sind verschwunden und die Versorgung findet durch die in beiden Richtungen etwa vier Kilometer entfernten Lebensmitteldiscounter statt. Für ältere Menschen bedeutet das einen erheblichen Aufwand, mit dem Bus einkaufen zu fahren oder sich in die Abhängigkeit ihrer Familie zu begeben. Von allen erfordert diese Tatsache mehr Zeit, Organisation und Mobilität. Um billig einkaufen zu können, tragen wir unser Geld – wenn es sein muss, auch mit erheblichem Mehraufwand – zur nächstgelegenen Kette. Im eigenen Ort oder mit einem eigenen Geschäft verdient kaum noch jemand seine Brötchen.
Der Einzelhandel geht ein. Und mit ihm wertvolle Plätze der Begegnung. Wenn man ältere Menschen in Großstädten beobachtet, wie sie trotz ausreichend Zeit durch Supermärkte geschleust werden, ohne jeden persönlichen Kontakt, dann wird die schleichende Vereinsamung greifbar. Wenn man in der Zeitung liest, wie viele Menschen in ihrer Wohnung sterben und erst nach Tagen gefunden werden, dann ist auch das ein Ergebnis unseres alltäglichen beziehungslosen Wirkens. Dem Verkäufer von nebenan, der seine Kundschaft noch persönlich kennt, würde das Ausbleiben eines Stammkunden auffallen.
Kundengewinnung und Auftragsvergaben erfolgen immer noch erfolgreich und gerne dort, wo man direkt mit Menschen in Kontakt ist. Während Kassierer in Einkaufsmärkten auf das Kassieren begrenzt sind, sind Einzelhändler weit mehr als Verkäufer. Sie bieten einen Platz der Begegnung und des Austauschs, kennen sich in ihrem Umfeld bestens aus, sind darüber stets informiert, können viele Fragen beantworten oder hören sich gerne um. Sie kennenimmer jemanden, der jemanden kennt …. Noch so ein Luxus, den es in billigen Einkaufsmärkten
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