Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
sind nie gefragt worden, ob wir Mitglied in dem Kunstgebilde NRW werden wollten und haben das auch nie akzeptiert. Bedenken Sie, seit 1969 sind weltweit 43 neue Mikrostaaten entstanden. Wir wollen nur ein selbständiges Bundesland werden und nicht etwa der 44. Staat.«
Dann schob er allerdings noch ein »Wenigstens jetzt noch nicht« hinterher. Aber dieses Trapsen der Eifeler Nachtigall hatte offensichtlich niemand gehört.
Ludwig Förster betonte, dass von den Unterstellungen, er wollte sich sofort von der Bundesrepublik trennen und sogar Ostbelgien »heim ins Reich« holen, nur »spinnerte Nazis träumen«:
»Ich hörte heute sogar schon von Spinnern, die deutliche Parallelen zur Anbindung Ostbelgiens an das Deutsche Reich in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts sehen wollen. Da ist aber überhaupt nichts dran!«
Zum Abschluss sagte er einen Satz, der Nils Steenken wie auch Bernd Balkenhol in seltener Einheit gleichzeitig schlucken ließ.
»Wir sind als Mehrheitsbeschaffer nur für den zu haben, der unsere Vorstellungen von einem selbständigen Rheinland mit auf die Schiene bringt. Wir wissen, dass wir dieses Ziel so schnell wie möglich erreichen wollen.«
Bernd Balkenhol polemisierte darauf in der »Aktuellen Stunde«, dass man mit ihm keinen »Rheinischen Karnevalsstaat, woll, mit einem Prinz an der Spitze und einer Alaaf-Hymne, woll« verwirklichen werde.
Nils Steenken hielt sich dagegen zurück. Er sprach in der »Tagesschau« nur von »Wir werden das Gespräch mit allen Parteien im neuen Landtag suchen.«
Dann schob er allerdings nach:
»Man sollte aber auch immer im Hinterkopf haben, dass wir in einem Zeitalter der Globalisierung und Integration leben. Da sind Abspaltungen eigentlich nicht die richtige Antwort auf die brennenden Fragen der Zeit.«
Dabei ahnte er, dass harte Tage auf ihn zukommen würden. Ein einsamer Ministerpräsident sang am Abend auf der Rückbank seines Dienstwagens ein einsames Lied:
»Wo de Nordseewellen trecken an de Strand, wor de geelen Blöme bleuhn int gröne Land, wor de Möwen schrieen gell int Stormgebrus.«
In die letzte Zeile stimmte dann auch Heiko Ennen, Nils Steenkens Fahrer aus Aurich, ein. Zusammen sangen sie auf der Fahrt durch das hell erleuchtete Düsseldorf den Refrain:
»Dor is mine Heimat, dor bün ick to Hus. Dor is mine Heimat, dor bün ick to Hus.«
* * *
Ludwig Förster traf sich erstmalig am Dienstag nach der Wahl mit seinen Abgeordneten in Düsseldorf. Der Buchhändler aus der Eifel kannte seinen bunt zusammengewürfelten Haufen auch nur flüchtig – immerhin hatte noch vor Monaten niemand an eine neue Partei – geschweige denn an ein freies Rheinland gedacht.
Na ja, zumindest hatte keiner diese Idee öffentlich zu propagieren gewagt.
Die Palette der Freies-Rheinland-Politiker war groß: Da saß der Bonner Abgeordnete Edward Hanfland, der nicht nur so hieß, sondern auch so aussah – E-Technikerhemd, graue Strickweste mit abgenutztem, jetzt allerdings verwaistem Buttonbereich, Cordhose, Samenstau und natürlich Socken und Sandalen. Da gab es aber auch Susanne Adrian, eine jugendlich wirkende Realschullehrerin aus Mönchengladbach, die H&M-stilsicher zur ersten Sitzung nach Düsseldorf gekommen war. Vertreten waren aber auch die Ganghofers, die Bömmelchen an den Schuhen trugen und krachledern auftraten. Bereits nach der ersten Sitzung bildeten diese um den Uerdinger Abgeordneten Johann Leisten den »Krefelder Kreis« – nicht unbedingt eine Ansammlung, die sich Ludwig Förster als zukünftige politische Weggefährten gewünscht hatte.
In bester Breiumdenbart-Politik hatten derweil SPD und CDU dafür gesorgt, dass den beiden neuen Parteien im Landtag – dazu gehörte nach vierjähriger Abwesenheit auch die FDP – unbürokratisch Fraktionsräume zur Verfügung gestellt wurden. Immerhin sollten zukünftige Verhandlungen in Sachen Machtbeschaffung nicht an so etwas profanem wie ein paar Zimmern scheitern. Das sah die FDP auch so und okkupierte mit dem Ausfuhr »Erster!« die besseren Räume für sich.
* * *
Blick zurück im Zorn.
Vor einem Jahr saß Ludwig Förster noch für die Grünen im Monschauer Stadtrat.
Seine dortigen vier Fraktions-Mitstreiter waren nicht unbedingt sein Fall gewesen: Fundis mit einer politischen Ideologie, die darauf schließen ließ, dass man die Fraktion irgendwann Ende der sechziger Jahre getötet, eingefroren und erst kurz vor der Kommunalwahl wieder zum Leben erweckt hatte.
Der Schlimmste in
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