Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
der privaten Wohnung der Lauschers in Rohren stattfinden konnte, wälzten sich gleich mehrere Frauen in fundamentalistischer Einheit auf dem Flokati, als die Rede auf den grünen Außenminister kam:
»Dieses frauenfressende Monster mit seinen immer jünger werdenden Dingern.«
Zerstritten – und mit einem Abstimmungsergebnis von 9 zu 3 gegen den Außenminister – ging man auseinander. Ab diesem Zeitpunkt fiel es schwer, so etwas wie Einklang in der Monschauer Partei der Grünen zu demonstrieren.
Partei-Chef »Streifenjeans« Lauscher wurde in den folgenden Monaten in seiner Argumentation immer extremer. Im Rat der Stadt, wo selbst wohlgesonnene Sozialdemokraten bald nur noch mit dem Kopf schütteln konnten, diskutierte er seine Partei ins absolute Abseits.
In allen Parteigremien – von der Kreisversammlung Aachen bis zum NRW-Landesparteitag – erntete er nur noch Hohn und Spott und als er in einem Interview mit der »Aachener Zeitung« einen Farbbeutel-Anschlag auf Joschka Fischer nachträglich begrüßte und zu einer Wiederholung aufforderte, war es Ludwig Förster zuviel: Er verließ die grüne Partei, die er vor Jahren auf Ortsebene mitgegründet hatte und blieb als fraktionsloses Mitglied im Stadtrat.
Zwei weitere Fraktionsmitglieder traten wenige Monate später geschlossen zur PDS über – aber dies war dann nur noch eine Eintags-Lachnummer für einige lokale Zeitungen.
Jürgen Lauscher blieb somit als einziger Grüner zurück und fiel nur noch durch die Angewohnheit auf, im Stadtrat rohe Möhren zu mümmeln.
Ludwig Förster spielte lange mit dem Gedanken, der Politik endgültig den Rücken zu kehren, bis er in der Zeitschrift »Neues Rheinland«, die früher jedem Stadtratsmitglied kostenlos ins Fach gelegt wurde, einen Kommentar von Chefredakteur Jakobi las: »Rheinland«-Schilder fürs Auto seien aufgetaucht. Die Rede war sogar – wenn auch leicht satirisch gefärbt – von einem eigenen Rheinland:
Westfalenfreie Zone also.
Ludwig Förster ließ diese Idee nicht mehr los.
Er wälzte Bücher wie »Revolverrepublik Rheinland« über den Separatismus am Rhein, studierte Veröffentlichungen über die Geschichte des Rheinlands und stieß sogar auf Separatisten in der braven Eifel. Im Internet fand er:
»In Kyllburg wurde auch versucht, die örtliche Verwaltung unter Aufsicht zu bekommen. Aus diesem Grunde wurde das Bürgermeisteramt unter Anführung eines Mannes aus Orsfeld durch die Separatisten besetzt. Der damalige Bürgermeister Dietz trat den Besetzern entgegen, es entwickelte sich eine heftige Debatte, in der sich der bejahrte Bürgermeister so erregte, dass ihn ein Herzschlag traf und er auf der Stelle tot zusammenbrach.«
Ludwig Förster merkte bald, dass er von der Idee eines freien rheinischen Gebildes, in welcher Staatsform auch immer, nicht mehr lassen konnte.
Zaghaft startete er im engsten Freundeskreis Versuchsballons und als auch dort die ersten Schnapsidee-Vorwürfe langsam zu einer handfesten Idee mutierten, begann Ludwig Förster, an der Gründung einer Partei namens »Freies Rheinland« konkret zu arbeiten.
Seine Telefonrechnung stieg bedenklich, nachdem er sich vom »Landschaftsverband« die Karte »Rheinland in den Grenzen von 2000« besorgt hatte.
Dieses Rheinland war größer als Förster erwartet hatte und umfasste folgende Mitgliedskreise bzw. kreisfreie Kommunen: Kreis Kleve, Kreis Wesel, Kreis Viersen, Krefeld, Duisburg, Oberhausen, Mülheim, Essen, Kreis Heinsberg, Mönchengladbach, Kreis Neuss, Düsseldorf, Kreis Mettmann, Aachen, Kreis Aachen, Kreis Düren, Erftkreis, Köln, Leverkusen, Solingen, Wuppertal, Remscheid, Kreis Euskirchen, Rhein-Sieg-Kreis, Bonn, Rheinisch-Bergischer Kreis und der Oberbergische Kreis.
Förster startete zunächst ein vorsichtiges Werben bei grünen Realo-Freunden. Oft erhielt er eine derbe Abfuhr, oft lachte man ihn schallend aus und doch riefen schon bald einige der vom Denkanstoß Getroffenen zurück und zeigten erstes Interesse an der Idee.
Schon bald stießen kanzlerfrustrierte SPD-Mitglieder dazu und sogar einige CDU-Mitglieder meldeten sich mit der Bitte um Verschwiegenheit in dem kleinen Buchladen in Monschau. Natürlich waren auch einige stockkonservative Wanderburschen unter den Interessierten. Nach vier Monaten hatte man genug Politikmüde, Frustrierte, Trachtenträger und Berlin-Gegner hinter sich gesammelt, um die nötigen Unterschriften zur Teilnahme an der Landtagswahl und zu Parteigründungen auf Landes- und Kreisebene
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