Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
zu erhalten.
Chaos herrschte in den nächsten Wochen. Für die einzelnen Wahlkreise der neuen Partei mussten Kandidaten aufgestellt werden – meist auf Versammlungen in Hinterstübchen von Kneipen, an denen oft nur Familienmitglieder teilnahmen.
Dabei stellte sich schnell heraus, dass das Thema eines freien Rheinlands in den rechtsrheinischen Gebieten nicht unbedingt auf den Nägeln brannte. Nur mit Mühe fand man dort Kandidaten.
Mit Ach und Krach gelang es schließlich, in jedem Wahlkreis einen Kandidaten aufzustellen. Allerdings mussten im Oberbergischen Kreis, Wuppertal und Essen Leih-Rheinländer antreten, die auch nur wenige Stimmen holten. Dafür waren die Linksrheinischen umso erfolgreicher. Gleich mehrere Wahlkreise wurden direkt gewonnen, so dass schließlich mit den Reservelisten-Kandidaten 48 Neu-MdLer den Gang in den rechtsrheinischen Landtag zu Düsseldorf antreten konnten.
Auf den ersten Blick traf sich ein Chaotenhaufen unter dem Fernsehturm im Schatten des modernen Düsseldorfer Stadttors. Ohne jedes Parteigezänk wurde Ludwig Förster bei der ersten Sitzung zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Mangels eines Programms musste schnellstens ein Parteitag her, der die politischen Richtlinien für die Landespolitik aufstellen sollte. Da die Mitgliederzahl der F.R.-Partei mit der Zahl der Landtagsabgeordneten fast identisch war, legte man den nächsten Tag – also den Mittwoch nach der Wahl – als parteioffenes Rheinländer-Treffen fest.
Keine sechzig Mitglieder erschienen im engen Fraktionssaal der Rheinländer und zimmerten das zukünftige politische Programm zusammen – eine Mischung aus grünem Realo-Papier sowie träumerisch-romantischer Nostalgie-Lektüre.
An erster Stelle stand – man schrieb sich realistisch noch das Wort »mittelfristig« auf die nicht vorhandenen Fahnen – die Forderung nach einem freien Rheinland als eigenem Bundesland. Herausragend in dem ideologischen Mischmasch-Programm waren die Forderungen nach keiner Neuverschuldung des Landes, »Ausstieg aus der Kernenergie«, »Flaschenpfand für Maggi« sowie »keine Politik auf Kosten späterer Generationen«.
»Aus den Socken haut das auch nicht unbedingt«, kommentierte Volker Pfau, Chefredakteur der »Rheinischen Post«, die trotz ihres Namens nicht unbedingt einen rheinischen Narren an der neuen Partei gefressen hatte.
In den Nachrichtensendungen schnitt man sich aus der Pressekonferenz einen Satz von Ludwig Förster raus:
»Wir fordern eine Politik der Nachhaltigkeit. Wir haben von unserer Vorgeneration – denken Sie nur an die einst braune Rheinbrühe – dreckige Flüsse und heruntergekommene Wälder – denken Sie nur an das Splitterholz aus dem letzten Krieg – übernommen. Und wir werden, das kann man heute schon sagen, sauberere Flüsse und gesündere Wälder hinterlassen.«
Murrend, da man selbst über die eigenen Ergüsse nicht gerade glücklich war, wurde das Programm der Rheinländer am Freitag nach der Wahl in Druck gegeben …
Zur dieser Zeit buhlte Nils Steenken schon um Mehrheiten. Da das Thema »Tagebau Rheinbraun« wieder einmal zum Zankapfel mit den Grünen geriet, spottete der Ministerpräsident abends im gelockerten Krawattenkreis seiner engsten Genossen:
»Wir sollten das Rheinland schnellstens loswerden, dann haben die nämlich ›Rheinbraun‹ an der Backe …«
»Keine schlechte Idee«, antwortete sein persönlicher Referent, der Landtagsabgeordnete Dr. Volker Ophoven.
Der Ministerpräsident schaute erstaunt, da sein langjähriger politischer Weggefährte dies sehr ernst gesagt hatte:
»Ich hoffe, Volker, dass war ein Gag!?!«
»Weiß mers!« antwortete Ophoven, der auch zu später Stunde wie immer völlig korrekt gekleidet an der bierseligen Runde mit dem Ministerpräsidenten teilnahm. Ob seiner Maßanzüge wurde Ophoven hinter vorgehaltener Hand von einigen Parteifreunden nur »Genosse Dr. Gucci« genannt.
Trotz des Zankapfels »Rheinbraun« waren sich SPD und Grüne in den nächsten Tagen sehr nahe gekommen – kopulierten und koalierten allerdings noch nicht.
Die FDP lief derweil ungefragt Amok.
Mit 95 Sitzen, so wusste die Alt-Koalition, verfügte man gegenüber der CDU und den Liberalen über eine 7-Stimmen-Mehrheit. Die alles entscheidende Frage, die sich Nils Steenken immer wieder stellte, blieb:
»Wie werden sich diese verdammten Rheinländer verhalten?«
Wenige Tage später erfolgte die erste Demarche des Ministerpräsidenten.
Nils Steenken schickte Dr. Volker Ophoven
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