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Wer war Jesus

Wer war Jesus

Titel: Wer war Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Luedemann
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auf der Basis der Gebote der Heiligen Schrift
     rigoros Sitten- und Lehrzucht einführen, um Gottes Ehre zu wahren. Die Sittenzucht bekämpfte etwa Kleiderluxus, Tanz und allgemeine
     Streitereien; die Lehrzucht wachte darüber, dass der in den Bekenntnissen überlieferte Glaube strikt eingehalten wurde.
    Anders als Luther sah Calvin das Halten der biblischen Gebote nicht bloß als selbstverständliche Folge des Glaubens an; für
     ihn lag auf dem Tun vielmehr ein eigenes Gewicht. Die Menschen sollten Gottes Willen erfüllen, um auf diese Weise die »Ehre«
     Gottes zu vermehren. Nicht für sich selbst geboren, sondern für Gott, den unantastbaren Souverän und Herrscher, schuldeten
     sie ihm unbedingten Gehorsam.
    Angesichts der herben Strenge seines Gottesbildes überrascht es nicht, dass Calvin ausdrücklich die Lehre von der praedestinatio
     gemina, der »doppelten Vorherbestimmung«, vertritt. Diese nennt er »Gottes ewige Anordnung, vermöge deren er bei sich beschloss,
     was nach seinem Willen mit jedem einzelnen Menschen werden sollte. Denn die Menschen werden nicht alle mit der gleicher Bestimmung
     erschaffen, sondern den einen wird das ewige Leben, den anderen die ewige Verdammnis vorher zugeordnet«. Schon zu seinen Lebzeiten
     wiesen Zeitgenossen Calvin darauf hin, dass diese Lehre Gott faktisch zum Urheber der Sünde macht und seiner Barmherzigkeit
     und Allmacht widerspricht.
    Doch all das prallte an Calvin ab. Beirren ließ er sich auch nicht in seiner feindlichen Haltung zu Christen, deren theologische
     Lehren von seinen eigenen abwichen. Vielmehr verfolgte er diese Christen gnadenlos und unnachgiebig als Ketzer. Ein bekanntes
     Beispiel dafür ist Michael Servet, geboren 1511, in einer Person Jurist, Theologe und gefeierter Mediziner (er hatte den kleinen
     Blutkreislauf entdeckt). Als er sich auf der Durchreise in Genf aufhielt, zeigte Calvin ihn sofort an. Servet wurde der Prozess
     gemacht, und |68| am 27. Oktober 1553 starb er qualvoll auf dem Scheiterhaufen. Begründung: Er lehne die Kindertaufe ab und lästere die Dreieinigkeit,
     indem er Gott lediglich als Schöpfer verstehe, Sohn und Geist dagegen nur als göttliche Wirkweisen.
    Man hat zur Verteidigung Calvins gesagt, dass der Fall Servet im Rahmen damaliger Verhältnisse zu sehen und sein Verlauf durchaus
     gesetzeskonform gewesen sei. Das ist insoweit richtig, als auch in den Augen des für den Prozess gegen Servet zuständigen
     Rats der Stadt Genf eine Leugnung der Trinität Gottes ein Angriff auf das politische Gemeinwesen und mit dem Tod zu bestrafen
     war. Trotzdem belastet die Exekution Servets den Genfer Reformator schwer.
    Erstens: Calvin und Servet kannten sich schon seit mehr als 20 Jahren persönlich und hatten einen ausführlichen Briefwechsel
     über theologische Fragen geführt. Aus diesem Briefwechsel leitete Calvin, um auf ein Todesurteil hinzuwirken, einige Monate
     vor dem Prozess in Genf inkriminierendes Material an den Generalinquisitor in Lyon weiter – und damit ausgerechnet an den
     Mann, von dessen Schergen zahlreiche Protestanten wegen Ketzerei verbrannt wurden. Servet hatte sich dem Todesurteil durch
     Flucht entziehen können.
    Zweitens: Bereits lange vor dem Prozess hatte Calvin seinem Kollegen Farel mitgeteilt, dass Servet, einmal in Genf, die Stadt
     nicht lebendig verlassen werde. Und dessen bevorstehende Exekution kommentierte er mit den Worten, dass es seine Pflicht sei,
     »diesen mehr als hartnäckigen und unbezähmbaren Menschen unschädlich zu machen, damit die Ansteckung nicht weiter um sich
     greife«. Denn die Gottlosigkeit der Obrigkeit vereitle es überall, »die Ehre des Namens Gottes zu rächen«.
    Der historische Kontext der Hinrichtung Servets zeigt eindeutig: Calvin wünschte sich Servet tot; er hielt jegliches Mittel
     für recht, um diesen theologischen Gegner auszumerzen. Die Frage stellt sich unwillkürlich, warum man den 500. Geburtstag
     solch eines arglistigen Zeloten überhaupt feiert.
    |69| Bereits ein Zeitgenosse von Calvin, der hochgelehrte Philologe und Pädagoge Sebastian Castellio (1515–1563), unterzog dessen
     Vorgehen einer grundsätzlichen Kritik. Er plädierte umfassend für Toleranz in Fragen der Religion, denn »die Wahrheit zu suchen
     und zu sagen, wie man sie denkt, kann niemals verbrecherisch sein«. Außerdem gelte aus humanistischer Sicht: »Einen Menschen
     töten heißt nicht, eine Lehre verteidigen, sondern einen Menschen töten.«
    Calvin hat auf diese

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