Wer weiter sehen will, braucht hoehere Schuhe
einem schwarzen Hütchen und schwarzer Strickjacke. Kleine unschuldige Mädchen, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, um das Heidentum und die an jeder Ecke lauernde Abkehr vom Guten abzuwenden. Selbst im zarten Alter von fünf Jahren musste man bereits auf der Hut sein. Mit meinen dunklen Locken, den Sommersprossen und der Streifenkrawatte sah ich aus wie ein mobiler Zebrastreifen, möglicherweise trage ich deshalb heute kein Schwarz mehr.
Auf dem Gymnasium veränderte sich meine Schuluniform ein klein wenig, Blau kam ins Spiel, was recht hübsch aussah. Das Ensemble wurde mit Details wie Hosenträgern abgerundet – in Weiß wohlgemerkt. Schwarz war verpönt. Auf meine Frage, ob ich schwarze Unterwäsche anziehen dürfe, hieß es, ich solle mich gefälligst wie ein anständiges Mädchen benehmen. Die Internatsschülerinnen wurden noch strenger kontrolliert als die Externen. Höschen im Bikinistil, wie sie in den Sechzigern gerade Mode geworden waren, galten als Gipfel der Verdorbenheit. Mädchen wurden angehalten, in dünnen Baumwollhemdchen zu baden, um beim Anblick ihres nackten Körpers nicht in Versuchung zu geraten. Dank kollektiven Protests schafften die Nonnen diese unsinnige Regelung zwar irgendwann ab, beharrten aber trotzdem weiter darauf, dass der Bund unserer Unterhosen bis zur Taille reichte. Wurden in der Wäscheschublade der Internen Unterhosen im Bikinistil gefunden, wanderte der Stein des Anstoßes geradewegs in die Mülltonne. Schönen Dank auch. Unsere dicken kuttelfarbenen Baumwollstrumpfhosen waren kugelsicher, und unsere BH s hätten garantiert einen Atomschlag überstanden. Dass es überhaupt einem zu allem entschlossenen Jungen gelang, eine von uns zu schwängern, gehört zu den letzten wissenschaftlichen Wundern unseres Zeitalters.
Zu Beginn meiner Laufbahn als Krankenschwester im Jahr 1968 gehörten festliche Bälle zum guten Ton, und Blumen im Haar waren ein absolutes Muss. Ich war ziemlich geschickt mit der Nähmaschine und schneiderte mir ein hellblaues Organzakleid mit weißen Pünktchen im Empirestil, dessen tiefer Ausschnitt mit einer weißen Rüschenborte verziert war. Schwarzer Lidstrich, sorgfältig nachgezogene Brauen, falsche Wimpern und hellrosa Lippenstift gehörten ebenfalls dazu. »Pass bloß auf, dass du immer schön auf dem Teppich bleibst, Mädchen«, mahnte mein Vater, und meine Mutter meinte: »Ohne Schminke siehst du viel hübscher aus, Peta.« Mütter! Was wussten die schon? Hübscher? Ohne Make-up? Zu dieser Zeit wäre ich noch nicht einmal ungeschminkt morgens auf die Toilette gegangen. Falsche Wimpern waren besonderen Anlässen vorbehalten, die restliche Zeit pflasterte man sich die Wimpern mit drei Schichten Tusche zu, die mit Spucke angefeuchtet wurde, bevor man mit dem Bürstchen durch das Farbklötzchen streichen konnte.
In den Siebzigern war ich eine der Ersten, die sich kopfüber in die Hippie-Revolution stürzten, allerdings wollten sich meine braven Schwestern-Kolleginnen nicht so recht anschließen. Ich verstand das nicht! Wie konnte man Teil einer Gesellschaft sein und sich in einem entscheidenden Stadium der Entwicklung befinden, ohne sich davon mitreißen zu lassen, was um einen herum vorging? Wie konnte man an den alten Maßstäben und konservativen Werten festhalten, wo einem Freiheit, Abenteuer und ein unendlicher Vorrat an Alfalfa-Sprossen versprochen wurden? Wie konnte ein Mädchen weiterhin geschmackvolle kamelhaarfarbene Angora-Twinsets, Perlenketten, Nylons und Haarspray tragen, wo sich Alternativen in Form von Makramee-Mänteln, antiken weißen Spitzen aus dem Laden der Heilsarmee, Sandalen und Perlenketten boten? Und nicht zu vergessen: die Achselhöhlen-Frage. Wie konnte jemand so dreist sein und die natürliche, gottgegebene Behaarung abrasieren, wo das oberste Ziel doch lautete, gegen die männliche Verschwörung, die Macht der Frauen zu unterminieren, aufzubegehren? Nach dem Schulabschluss und meiner frühen Karriere als Krankenschwester bekam ich einen Job, in dem ich hübsche Kleider für den Markt in der Brown Street nähen sollte, die genauso aussahen wie die, die ich mir selbst schneiderte. Kleider aus weißer Baumwolle oder mit Batikmuster und Bändchen auf meiner Nähmaschine zu produzieren machte einfach mehr Spaß, als anderen Leuten im Krankenhaus die Nieren durchzuspülen.
Der BH
Busenfaschisten haben uns einzureden versucht, dass man vom BH -Tragen Krebs bekommen kann. Laut ihrer Theorie schnüren die Retter unserer
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