Wer will schon einen Vampir?: Argeneau Vampir 8
schienen sturzbetrunken zu sein, und es war offensichtlich, dass die Gruppe auf dem Weg nach Amsterdam war, um dort einen Junggesellenabschied zu feiern. Thomas schüttelte den Kopf und wunderte sich, warum man so etwas nicht auch in Kanada machte. Es hätte ihm ungeheuren Spaß gemacht, Lucern in einer solchen Aufmachung zu erleben. Nicht, dass Lucern jemals mit so etwas einverstanden gewesen wäre.
Der Gedanke entlockte ihm ein flüchtiges Lächeln, da meldete sich auf einmal Inez zu Wort: „Ich will jetzt Ihre Erklärungen hören.”
Seufzend wandte er sich von der johlenden Meute ab, die den Stewardessen einige Probleme bereitete, da gut ein halbes Dutzend der Männer einfach nicht auf ihren Plätzen bleiben wollten und stattdessen hin und her gingen, um sich mit den anderen zu unterhalten. Dabei waren sie keineswegs unhöflich, und die meisten übrigen Passagiere verfolgten das Treiben recht amüsiert, aber sie hielten die Stewardessen davon ab, ihre Arbeit zu erledigen. Als er sich zu Inez umdrehte, erkannte er sofort, dass sie nicht zu denjenigen gehörte, die die ausgelassene Truppe in irgendeiner Weise lustig fanden. Stattdessen musterte sie ihn mit unverhohlener Missbilligung.
Er schaute sieh kurz um, dann schüttelte er den Kopf. „Das geht jetzt nicht. Hier sind zu viele Leute.” Daraufhin kniff sie ihren süßen Mund noch etwas fester zusammen, und ein eisiger Hauch legte sich über ihre Augen. Die Frau war ein Wirbelsturm der Gefühle eben noch wütend, loderte sie im nächsten Moment vor Leidenschaft. Seine Sinne nahmen jede dieser Veränderungen wahr, die ihm wie Wellen entgegenschlugen.
Inez hatte sich gleich nach dem Einchecken im Dutyfree-Shop eine Flasche Parfüm gekauft, allerdings war sie ihr dort nicht sofort ausgehändigt worden. Vielmehr sagte man ihr, sie würde sie erst bekommen, wenn sie das Flugzeug bestiegen. Inez war darüber gar nicht erfreut gewesen, woraufhin Thomas versuchte, sie ein wenig auf andere Gedanken zu bringen, indem er mit ihr zu einem kleinen Lokal im Wartebereich ging und für sie beide etwas zu essen bestellte.
Dass er tatsächlich etwas aß, überraschte nicht nur Inez, sondern auch ihn selbst. Ihn erstaunte dabei aber noch mehr, wie viel Vergnügen es ihm bereitete, etwas zu sich zu nehmen. Vor über zehn Jahren hatte er das Interesse an normallem Essen völlig verloren, da für ihn alles gleich zu schmecken begann und es einfach eine zu mühsame Betätigung war. Doch diese Mahlzeit im Flughafen war so aromatisch und lecker, dass er sie mit Genuss verspeiste. Thomas wusste, so etwas sollte ihn gar nicht überraschen. Der wiedererlangte Spaß am Essen war eines der Symptome, die sich bemerkbar machten, wenn man seine Lebensgefährtin gefunden hatte, wozu auch gehörte, dass man sie nicht lesen konnte. Wie es schien, gab es nichts mehr daran zu zweifeln, dass Inez tatsächlich diese Gefährtin verkörperte.
Sosehr sie auch darauf brannte, von ihm Antworten zu bekommen, war es in dem Lokal durch Unterhaltungen und Musik doch zu laut gewesen, um Inez irgendwelche Erklärungen zu liefern. Um die Stunde der Wahrheit so lange wie möglich hinauszuzögern, hatte Thomas darauf gedrängt, im Lokal zu warten, bis ihr Flug aufgerufen wurde. Kaum waren sie an Bord gegangen, hatte man Inez die Tüte mit der Parfümflasche ausgehändigt, doch sie hatte den Einkauf in ihre Tasche gepackt, da sie in einer so beengten Umgebung lieber kein Parfüm benutzen wollte.
In gewisser Weise war Thomas froh darüber, denn so konnte er ihre Achterbahn der Gefühle hautnah miterleben. Nach Jahrzehnten, in denen ihn emotional kaum etwas hatte berühren können, nahm er jetzt gierig jede Höhe und Tiefe in sich auf und kostete jede noch so kleine Nuance aus, auch wenn er zugeben musste, dass die besten Augenblicke die waren, in denen ihre Leidenschaft in den Vordergrund trat. Sein Interesse an Frauen hatte schon vor einer Weile nachgelassen, da ihn sogar Sex zu langweilen begonnen hatte. Das war zugleich der Umstand, über den er sich in den letzten Jahrzehnten am meisten geärgert hatte.
„Thomas?” Er nahm ihren verärgerten Tonfall wahr und bemerkte, dass er sie offenbar schon seit einer Weile gedankenverloren anstarrte.
Hastig räusperte er sich. „Hier sind zu viele Leute, das geht nicht.”
„Sie haben gesagt, Sie würden es mir erklären, wenn wir in der Öffentlichkeit sind, damit ich mich sicher fühlen kann”, betonte sie energisch. „Wenn Sie es mir aber in der
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