Wer will schon einen Vampir?: Argeneau Vampir 8
Panik geriet. In dem Bemühen, sie von diesem Thema abzubringen, sagte er: „Die Älteren reden lieber von Unsterblichen anstatt von Vampiren, auch wenn sie nicht vollkommen unsterblich sind. Sie können sehr wohl sterben, aber dafür genügt keine Krankheit, und die meisten Verletzungen können ihnen auch nichts anhaben.”
„Und wodurch dann?”, fragte sie.
Thomas antwortete nicht sofort. Sie hatte eine gefährliche Frage gestellt, die eine noch gefährlichere Antwort zur Folge haben würde. Wenn sie zu dem Entschluss kam, die Sterblichen sollten nicht länger unter den Unsterblichen leiden, dann konnte sie diese Informationen benutzen, um ihnen schweren Schaden zuzufügen. Dummerweise konnte er nicht ihre Gedanken lesen, also gab es für ihn keine Möglichkeit einzuschätzen, wie sie diese Informationen aufnahm. Sie wirkte nicht mehr so verängstigt wie zuvor, vielmehr schien das Thema sie sogar zu faszinieren. Trotzdem....
„Ist es der Pflock ins Herz, wie es in Filmen gezeigt wird?”, fragte sie abrupt.
„Der kann das Herz zum Stillstand bringen”, erwiderte er verhalten.
Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Aber das tötet sie nicht, oder?”
„Nicht, wenn der Pflock schnell genug entfernt wird”, räumte er ein.
„Und wie.... ”
„Im Moment müssen Sie nur wissen, dass es inzwischen wieder Blutbanken gibt und dass wir deshalb nicht mehr auf die Jagd gehen”, antwortete er ausweichend.
„Aber Sie haben mich gebissen.”
Wieder schaute sich Thomas um. Niemand schien von ihnen Notiz zu nehmen, doch dann drehte er sich nach vorn und bemerkte, dass die Frau auf dem Platz vor Inez den Kopf so zur Seite gedreht hatte, dass sich ihr Ohr in Höhe des Spalts zwischen ihrem und dem Nachbarsitz befand. Er kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf die Frau. Der Erleichterung darüber, dass er ihre Gedanken sehr wohl lesen konnte, folgte die Erkenntnis, dass sie sie sehr interessiert belauscht hatte. Da sie unter dem Eindruck stand, er habe nicht bloß eine Geschichte erzählt, löschte er sofort ihr Gedächtnis und füllte die entstandene Lücke mit einer falschen Erinnerung, die die Frau in dem Glauben lassen würde, sie habe während des gesamten Flugs fest geschlafen. Dann nahm er sich noch einen Moment Zeit, um sie für den Rest des Flugs tatsächlich schlafen zu lassen.
„Was haben Sie da gerade gemacht?”, wollte Inez wissen, die ihn genau beobachtet hatte.
„Ich habe Sie gebissen”, flüsterte er ihr zu und ging über ihre letzte Frage einfach hinweg, „weil die Blutkonserven, die Bastien mir geschickt hatte, noch nicht ins Dorchester geliefert worden waren. Als ich gestern von Kanada nach England flog, da war ich so in Sorge um Tante Marguerite, dass ich nur einen Beutel getrunken hatte. Bastien war besorgt, ich könnte unterwegs Hunger bekommen und in Versuchung geraten, am Flughafen oder hier in der Maschine von jemandem zu trinken, und dabei entdeckt werden.”
„Wie viel Blut trinken Sie denn üblicherweise am Tag?”, fragte Inez im gleichen Flüsterton.
„Durchschnittlich drei bis vier Beutel”, ließ er sie widerstrebend wissen.
„Drei bis vier Beutel? Wie viel ist das? Eineinhalb, zwei Liter?”
„So in etwa.”
„Dann hatten Sie gestern einen Beutel und heute noch gar keinen. Also lagen Sie dreieinhalb Liter unter Ihrem Soll, als Sie mich gebissen haben? Stimmt das?”
„So in etwa”, wiederholte Thomas, der sich etwas unbehaglich fühlte.
Eine Weile schaute sie ihn von der Seite an, dann sagte sie: „So viel haben Sie von mir aber nicht getrunken. Der menschliche Körper verfügt doch nur über etwa vier, fünf Liter Blut, nicht wahr?”
„Nein, ich habe nicht so viel von Ihnen getrunken”, bestätigte er. Wie viel Blut ein durchschnittlicher Sterblicher in seinem Körper hatte, wusste er nicht, und es war auch nichts, worüber er sich normalerweise Gedanken machte.
„Und was passiert, wenn Sie nicht genug Blut bekommen?”
Wieder zögerte er zunächst, dann aber entgegnete er: „Die Nanos verlassen den Blutkreislauf und suchen in den Organen und in der Haut nach mehr Blut, von dem sie sich ernähren können.”
„Ist das schmerzhaft?”, fragte sie ernst.
„Das ist so, als würde Säure durch Ihre Adern fließen”, sagte er und rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her. Da er fürchtete, er könnte nach so langer Zeit, in der er nur Blutkonserven zu sich genommen hatte, seinen Bedarf falsch einschätzen und zu viel von ihr
Weitere Kostenlose Bücher