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der He-Man-Saga: Moss Man . Den damals dazugehörigen Afrolook seiner Haarpracht sollte man, so am Rande, nicht vergessen zu erwähnen. Da unser Firmenlogo ebenso grün war, war er damals für uns quasi das, was Enie van de Meiklokjes mit ihren pinken Haaren für die deutsche T-Com war: eine nicht zu übersehende Werbefigur.
Heutzutage ist er angepasst . Er trägt seine Haare relativ kurz, hat einen dichten Vollbart, bevorzugt Nerdbrillen und Motto-Shirts sowie dicke Wollmützen – egal zu welcher Jahreszeit. Somit gleicht er derzeit vielmehr einem Hipster aus dem Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg als dem Fantasy-Helden seiner verlorenen Kindheit.
Ehe man sich übrigens fragt, was denn das andere haarige Klischee eines Designers ist, werde ich die Antwort vorwegnehmen. Entweder trägt man als Grafiker seine Haarpracht so ähnlich wie Jan oder wie unser Chef die radikalere Lösung: eine Meister-Proper-Glatze.
Wir reden noch kurz über das schlechte Spiel des heimischen Fußballvereins am Wochenende und dann geht Moss Man zurück in den Bildbearbeitungsraum. Einen abgedunkelten Ort, der nicht nur störenden Lichtreflexionen auf den Monitoren entgegenwirken soll, sondern zugleich das ehemalige Raucherzimmer ist. Ich sehe ihm hinterher und bemerke, dass Jan durch das Öffnen seiner Abteilungstür hilft, den alten Nikotingestank entweichen zu lassen.
Ohne noch weiter mit meinem Jobschicksal und dem Mount Everest der Arbeit zu hadern, rufe ich auf meinem Computer die E-Mails ab. Nachdem ich die Spam des Tages gelöscht und mich darüber gewundert habe, dass die Klassiker Enlarge your penis und Invoice fehlen, gehe ich zum Tagesgeschäft über.
Seit mehreren Wochen sitze ich bereits an einem Großprojekt, dessen Budget in etwa meinem gesamten Jahresgehalt entsprechen dürfte. Es handelt sich um einen Internetshop, welchen ich auch nach der zweihundertfünfzigsten Arbeitsstunde noch nicht fertigstellen konnte.
Ich bin frustriert. Zumal ich als passionierter Fleischfresser nichts mit der paradoxen Zielsetzung des Shops anfangen kann: Vegetarierkost an – auf dem Land lebende – Schlachtviehbauern zu verkaufen.
Bis jetzt konnte ich meinen Chef Herrn Beaujean noch damit vertrösten, dass die ganze Schuld nicht mir zu geben sei, sondern dem bösen Webhoster, der mehrfach den Server zum Absturz gebracht hatte.
Zum Teil stimmt dies sogar. Allerdings kann ja keiner ahnen, dass mein Kollege Max, der ein begnadeter Computer-Hacker ist, es in meinem Auftrag geschafft hat, den Server mit mehreren sogenannten Ping-Of-Deaths schachmatt zu setzen.
Zu meiner Verteidigung muss ich hinzufügen, dass Max dies so oder so nach Fertigstellung des Auftritts hätte machen müssen. Er ist nämlich unter anderem unser IT-Security-Spezi und testet alle Websites auf mögliche Sicherheitslücken. Zudem schult er viele unserer Kunden vor Ort im Umgang mit unseren Online-Redaktionssystemen.
Die Abstürze waren eine logische Folge, denn leider konnte Max nicht wissen, dass der Veggie-Shop noch gar nicht fertig ist. Kein Wunder, bei meinem Schneckentempo …
Geruhsam putze ich meine Brille, um dann eine, lange Zeit fällige, Sicherungskopie des Shopsystems vorzunehmen. Schließlich logge ich mich endlich in das Netzwerk ein. Der normale Wahnsinn nimmt seinen Lauf.
Bald ist es Mittag. Glücksgefühle kommen auf. Endorphine werden freigesetzt. Die erste Pause rückt näher. Seitdem ich nicht mehr rauche, ist dies die einzige Zeit des Arbeitstages, bei welcher ich wenigstens irgendwelchen oralen Genüssen, nämlich dem Essen, frönen kann.
Als ich es endlich geschafft habe, ein extrem komplexes PHP-Modul zu vollenden, kommt eine Ablenkung auf mich zu, die ich jetzt nicht gebrauchen kann: Prinzessin Lea.
Ich bin mir dessen bewusst, was man jetzt denken könnte: Wir sind die Firma der vielen Spitznamen. Aber eigentlich nenne nur ich sie so. Zu erklären ist dies mit der Karnevalsfeier der Firma im vergangenen Februar. Stichpunktartig erläutert: Ich war wegen meines hohen Alkoholpegels temporäres Mitglied der Blue Man Group – sie die Kaiserin Sissi von Österreich.
Es war um mich geschehen, nachdem ich ihr volltrunken zwei Donuts an die Schläfen gehalten hatte, um Carrie Fishers legendäre schneckenförmige Un-Frisur aus Episode IV zu simulieren.
Etwa Folgendes lallte ich ihr zu: »L-L-Lea – stimmt es eigentlich wirklich, dass d-du während der Dreharbeiten zum dritten Film immer so h-hackedicht warst wie ich jetzt gerade?«
Lea
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